Das Arbeitsleben (2019 – 2020)

Die ersten drei Wochen wurde ich für die Demenzstation eingeteilt, das machte mir den Einstieg ins Arbeitsleben sehr leicht, da ich dort die gesamte Zeit meines BFDs verbracht hatte. Ich konnte es noch gar nicht richtig glauben, dass ich es jetzt wirklich geschafft habe, ich war überglücklich und die Bewohner und meine Kollegin freuten sich sehr, dass ich zurück war. Ich sprühte nur so voller Ideen und es machte richtig Spaß.

Während der ersten drei Wochen backte ich mit den Bewohnern zwei Mal einen Schokoladenblechkuchen, das kam wirklich gut an und machte den Bewohnern richtig Spaß. Ein Senior, 92 Jahre alt, sagte mir, dass er noch nie gebacken habe. Dann sagte ich zu ihm man lerne nie aus und es mache bestimmt Spaß, etwas Neues zu lernen. Er nahm dann am Angebot teil und schlug die Eier für den Kuchen perfekt auf, worauf hin ich ihn sehr lobte, in dem ich sagte, er habe es perfekt gemacht und an ihm ist ein Konditor verloren gegangen und dass er vielleicht noch umschulen sollte. Er strahlte dann übers ganze Gesicht und man konnte sehen, wie stolz er auf sich war. Er erzählte es am Nachmittag seiner Physiotherapeutin und sie wollte gar nicht glauben, dass er das tatsächlich getan hat und fragte deswegen meine Kollegen aus der Pflege, die ihr dann erzählten, dass es wirklich gestimmt hat. Wenn ich ihn jetzt noch darauf anspreche, sieht man noch die Freude in seinen Augen, das ist einer der Gründe, warum ich das liebe was ich tue!

Danach kam ich auf die Station, auf der die Senioren noch sehr mobil sind, nur einige benötigen Hilfsmittel, wie einen Rollstuhl oder einen Rollator. Ich musste mir erstmal die ganzen Namen merken, das dauerte ein paar Tage aber die Angebote wie Gedächtnistraining, basteln, lesen, Gesellschaftsspiele und Kegeln kamen sehr gut an. Es war für mich die ersten Tage sehr ungewohnt, da ich beim basteln nur die Vorlagen abzeichnen musste und die Senioren sonst alles ganz allein ausschnitten ohne Unterstützung.

Beim Gedächtnistraining kam sofort eine Antwort und ich konnte intensiv Gespräche führen. All das war ich sonst von der Demenzstation nicht gewohnt. Es machte mir sehr viel Spaß dort und auch die Bewohner konnte ich nach und nach für mich gewinnen.

In dieser Zeit graute es mir die ganze Zeit vor dem Termin mit dem Integrationsamt, aber meine Chefin stand voll und ganz hinter mir und auch die Chefin von dem Anbieter, die meine Assistentin einstellt, stärkte mir den Rücken. Um perfekt auf das Gespräch (also den Ablauf und die gesetzlichen Vorgaben) vorbereitet zu sein, informierte ich mich im Internet und rief auch bei der Sozialarbeiterin an. Ich war also auf alles vorbereitet und dachte, falls sie mir Probleme machen sollten (die Kosten für meine Assistentin nicht übernehmen und ich dadurch nicht weiter meine Arbeit ausüben kann), dann werde ich die Presse einschalten! Ich würde mir nicht das wegnehmen lassen, wofür ich so lange gekämpft habe und was ich aus vollem Herzen liebe!

Es war jetzt ungefähr noch eine Woche bis zum Termin, den Freitag davor kam meine Oma ins Krankenhaus, da sie extrem Bauchschmerzen hatte. Sie bekam starke Medikamente aber sie schlugen nicht an, ich telefonierte mit ihr und sie sagte, sie habe starke Schmerzen und dass sie nicht mehr kann. Einen Tag darauf telefonierten wir wieder, es ging ihr besser und sie erzählte wieder sehr viel, so wie es immer war. Am Tag darauf ging es ihr auch noch gut und wir hatten ein tolles Gespräch. Sie stellten fest, dass sie einen Darmverschluss hat und wollten mit Medikamenten dagegen angehen oder sonst mit einer OP. Der Arzt sagte, wenn der Darmverschluss behoben ist, kann sie in zwei Tagen wieder nach Hause. Das freute mich zu hören, aber als ich sie am Montagabend anrief, hatte sie wieder starke Schmerzen und wollte auch gar nicht lange telefonieren, weil sie sich so erschöpft fühlte.

Am Dienstag rief meine Mama meine Oma an, da war sie gar nicht gut drauf, sie hatte schreckliche Schmerzen und wollte weder essen noch trinken. Am Abend rief ich sie wieder an, da ist sie nicht mehr ans Telefon ging, sondern mein Opa, er sagte nur: „Deiner Oma geht es im Moment nicht gut, der Arzt ist da, rufe mich bitte später zu Hause an“. Ab dort machte ich mir Sorgen. Etwa drei Stunden später rief meine Mama bei Opa an, ich konnte es einfach nicht. Opa erzählte, dass es Oma sehr schlecht gehe, sie schlimme Schmerzen habe und sie den Darmverschluss wahrscheinlich operieren müssen, da die Medikamente den Verschluss nicht gelöst haben.

Am Mittwochmorgen, den 18.09.19, war der Tag gekommen an, dem der Besuch vom Integrationsamt stattfinden sollte. Ich saß gerade beim Frühstück, da klingelte das Telefon, es war mein Opa der sagte, der Arzt habe ihn eben angerufen und gesagt, dass sie die Darm-OP sofort machen müssen und das Oma das nicht wollte. Der Arzt sagte dann, wenn meine Oma die Operation nicht macht, wird sie heute versterben und deswegen sollte die Familie kommen. Ich war total fertig und weinte, damit hatte ich nicht gerechnet! Ich musste mich aber zusammenreißen, weil der Termin war.

An der Arbeit angekommen, merkte meine Assistentin Sabine sofort, dass mit mir was nicht stimmte. Deswegen sprach sie mich an, da konnte ich nicht mehr und brach in Tränen aus. Aus diesem Grund gingen wir auf die Toilette, Sabine sagte jeder würde es verstehen, wenn du heute den Termin absagst. Ich sagte, sie haben es nur bis Ende dieses Monates genehmigt, wenn der Termin verschoben wird bzw. ausfällt, wer weiß ob sie dann einfach die Kosten für den nächsten Monat übernehmen. Dann stellte ich mich vor den Spiegel, wischte die Tränen weg und sagte: „Wir ziehen das jetzt durch und wir werden gewinnen“. Meine Oma hat immer zu mir gesagt, wenn es jemand schafft sie zu überzeugen, dann ich! Ich ging in die Umkleide, zog mich um und ging auf meine Station, dort wurde ich von allen Kollegen freundlich begrüßt, eine Kollegin kam sofort zu mir und sagte: „Alles in Ordnung?“, ich sagte nur: „Ja“, weil ich nicht darüber sprechen wollte. Dann sagte sie: „Du kannst wirklich schlecht lügen“. Alle waren total nett zu mir und lenkten mich ab, da wusste ich es noch mehr zu schätzen, dass ich solche Kollegen habe.

Ich animierte die Bewohner zum Essen und räumte dann die Tische ab und machte sie sauber. Dann war es kurz vor zehn und ich ging hoch ins Büro meiner Chefin. Bei dem Termin war eine Dame vom Arbeitsamt, zwei vom Integrationsamt, die Dame von dem Anbieter, meine Assistentin, die stellvertretende Chefin und ich. Ich war total nervös und gleichzeitig fand ich es total schlimm dort zu sein und mir Fragen anhören zu müssen, wobei ich tatsächlich Assistenz benötigte, während meine Oma die letzten Stunden am Leben ist. Nach noch nicht mal einer Stunde war das Gespräch beendet, mit dem Ergebnis, dass sie die Kosten tragen müssen. Da es sich tatsächlich nur um assistentische Maßnahmen handelt und nicht um pflegerische Maßnahmen während der Arbeitszeit. Wenn nämlich pflegerische Maßnahmen während der Arbeitszeit gewesen wären, dann hätte das Integrationsamt dies bestimmt nicht bezahlt, dann hätte die Krankenkasse noch mit eingebunden werden müssen. Gut, dass es sich so rausgestellt hat, jetzt wurden für ein Jahr die Kosten für meine Assistenz übernommen, nur bei den Kosten für den Fahrdienst musste ich einen Eigenanteil dazu bezahlen. Das sind im Monat zwischen 50,00€ und 60,00€ das finde ich aber vollkommen in Ordnung, für mich ist das zwar nicht wenig Geld, aber jeder andere der zur Arbeit fährt hat auch Kosten für Benzin.

Nach dem Termin hoffte ich zum ersten Mal, dass die Arbeitszeit schnell umgeht. Zu Hause angekommen, erzählte mir Papa, dass es Oma sehr schlecht gehe und die Darm-OP nicht mehr durchgeführt werden würde. Ich fragte nur, was es denn heißen würde, ich konnte mir natürlich denken, was es heißt aber ich musste es hören. Papa sagte, Oma würde im Laufe des Tages versterben, deine Mama, deine Tante und Opa wären bei ihr. Ich war total fertig, aber mein erster Gedanke und Frage an Papa war, weiß es Luisa schon? Papa sagte: „Nein, willst du es ihr sagen?“. Ich sagte, ne das könne ich nicht!

Dann rief Papa meine Schwester, an die gerade auf dem Weg zu ihrem Freund war, Papa sagte es ihr ganz sachlich und beendet das Gespräch. Ein paar Minuten später rief mich Luisa an, sie sagte, ich habe das jetzt nicht verstanden, was Papa genau sagen wollte. Ich war einfach total überfordert und reagierte natürlich mit emotionaler Stimme: „Papa wollte dir sagen, dass Oma heute sterben wird“, dann fing ich an zu weinen. Meine Schwester sagte „Nein“, und wir weinten zusammen. Ich glaube, dass war das schlimmste, was ich ihr je sagen musste, wir versuchten uns dann gegenseitig etwas aufzubauen und beendeten das Gespräch.

Etwa gegen halb fünf starb meine Oma und die letzten Stunden waren schrecklich, sie hatte starke Schmerzen und Mama sagte: „Sei froh, dass du nicht da warst“. Ich war auch froh, dass ich nicht da war, ich wollte sie so in Erinnerungen behalten, wie sie war.

Für mich war Oma die beste, sie war nett, freundlich, lieb, hilfsbereit, lustig, empathisch, organisiert, ordentlich, sympathisch, direkt, sehr kommunikativ absolut ehrlich und eine KÄMPFERIN! Sie war die ganze Zeit am Erzählen, sonst diskutierte sie gerne mit meinem Opa.

Ich glaube, dass mit dem vielen Erzählen habe ich von meiner Oma geerbt, wir telefonierten jeden Samstag oder manchmal auch dreimal die Woche. Aber am Samstag um 19:30 Uhr hatte wir immer eine feste Verabredung, es ging los mit: „Na, meine kleine Michi,“ oder „Na, Micky Maus, wie geht es dir?“ Wir sprachen über alles, es gab nichts, was wir ausließen, deswegen ging das Telefonat meistens mindestens eine Stunde. Jetzt vermisse ich jeden Samstag unser Gespräch, es fehlt mir einfach sehr. Auch wenn wir jetzt mit der Familie zusammensitzen, fehlt mir einfach was, besonders, wenn es dann ruhig wird, dann denke ich, Oma hätte sofort was Neues zu erzählen gewusst.

In der Nacht als meine Oma gestorben war, hatte ich wieder einen ähnlichen Traum, wie damals, als das Familienmitglied gestorben ist: Meine Mama, mein Papa, meine Schwester, mein Opa, meine Tante und ich waren in einem schönen Kaffee, ich schaute mich um und auf einer Bank in der Ferne zwischen anderen Personen saß meine Oma. Ich sagte: „Da ist Oma!“ aber keiner außer mir sah sie, ich schaute wieder hin sie lächelte mir zufrieden zu und zwinkerte, wie sie es öfter zu mir getan hatte, dann winkte sie und weg war sie.

Ich wachte sofort auf, irgendwie bekam ich dann ein Gefühl von Zufriedenheit, mir wurde warm und ich fühlte mich von Liebe umhüllt, es war einfach seltsam!

Die Nächsten Tage war ich total traurig aber ich wollte nicht weinen, weil mir meine Oma gesagt hatte: „Wenn ich sterbe will ich, dass du und der Rest nicht weint!“ Sie will das wir lachen und uns an die schönen und lustigen Momente erinnern, die wir gemeinsame hatten. Ich versuchte ihrem Wunsch nach zu kommen aber ich schaffte es nicht immer. Ich bin mir sicher, dass meine Oma immer irgendwie in meiner Nähe ist und sie sieht, was ich Tag für Tag tue und ich hoffe, dass das was sie sieht, sie stolz macht!

Nach dem Tod meiner Oma rief ich meinen Opa jeden Tag an um für ihn da zu sein, nach ein paar Wochen sagte er zu mir, dass ich nicht jeden Tag anrufen müsse, deswegen rief ich jeden zweiten an.

Nach ein paar Wochen hatte ich mal zwei Tage hintereinander frei, weil ich am Wochenende gearbeitet hatte. Da erinnerte ich mich daran, was der Arzt aus der Neurologie gesagt hatte, dass ich mich auf einer Internetseite als SMA-Patient registrieren soll, ich suche nach dieser Seite und fand sie unter www.treat-nmd.de/register. Ich las mir alles durch, was auf der Webseite stand und begann die Fragebögen auszufüllen und kurze Zeit später, war ich die 925 registrierte SMA Patientin.

Durch die Registrierung erfahren die Ärzte mehr über den Verlauf der Erkrankung und ich bekomme jede neue Information über neuartige Therapien gegen SMA.

Außerdem bekomme ich eine Möglichkeit an Studien teilnehmen zu können. Ich hätte das schon viel früher tun sollen, so trage ich auch einen kleinen Teil zum Fortschritt bei. Ich rate es auch allen SMA Erkrankten sich registrieren zu lassen.

Als ich die Seite wieder besuchte, sah ich, dass sie von mir ein Deletionsscreening sowie, falls verfügbar, die SMN2-Kopienzahl haben möchten. Ich wusste, dass ich dieses Schreiben nicht besitze, ich durchsuchte meine gesamten ärztlichen Unterlagen aber so etwas besaß ich nicht. Deswegen suchte ich nach meinem genetischen Befund von vor 21 Jahren. Aber auch das fand ich nicht, aus diesem Grund rief ich bei meinem Arzt an, der immer eine Kopie von meinen Terminen bzw. Untersuchungen der Uniklinik bekommt. Aber ihm lag es auch nicht vor. Dann schrieb ich eine E-Mail an meinen Neurologen aus der Uni, er antwortete mir sehr schnell und sagte, dass ihn mein detailliertes genetisches Gutachten auch nicht vorliege. Dann schlugen mir meine Eltern vor, beim SPZ der Uni anzurufen, da dort das genetische Gutachten durchgeführt wurde (die Muskelbiopsie bzw. Nadelbiopsie). Ich telefonierte erst mit der Assistentin der Ärztin, die damals beim Überbringen der Diagnose selbst die Tränen zurückhalten musste. Ein Tag später rief sie mich zurück, sie konnte sich sogar noch gut an mich erinnern. Die Ärztin teilte mir mit, dass sie sich meine Akte anfordert und sich dann wieder bei mir meldet. Einen Tag darauf sagte sie, dass ihr das Ergebnis der Muskelbiopsie vorliege, aber die Unterlagen vom damaligen Bluttest nicht mehr vorhanden wären. Sie sagte mir, dass sie mir das Schreiben zuschickt und wegen des Bluttests sollte ich mal bei dem genetischen Institut in Aachen oder Würzburg anrufen (da die Blutuntersuchungen von der Uni immer dort durchgeführt wurden). Ich war ihr sehr dankbar, dass sie sich so schnell darum gekümmert hatte. Sofort danach rief ich in Aachen an, die hatten von mir keine Unterlagen, danach rief ich in Würzburg an. Sie hatten tatsächlich noch Unterlagen von mir, die sie mir aber nicht zuschicken durften, deswegen schickten sie es an meinen Neurologen, in die Uni.

Zur Selben Zeit las ich wieder viel über meine Krankheit, ich fand eine sehr gute Seite, die www.initiative-sma.de, dort kann man alles rund um die Erkrankung SMA und die neusten Therapien erfahren. Ich erfuhr von den neuen Medikamenten „Zolgensma“ und „Risdiplam“. Aus diesem Grund machte ich mir einen Termin in der Neurologie für Dezember, bis dahin waren es aber noch drei Monate, die Monate nutze ich, um mich ausführlich zu informieren. Ende September zog Lisa für ihr Studium in der Pharmazie um, da es mit den Zahnmedizinstudium nicht geklappt hatte. Der Umzug machte mich etwas traurig, weil sie in meiner Nähe zu wissen, mir ein Gefühl von Sicherheit gab. Dank der neuen Technik haben wir aber trotzdem täglichen Kontakt. Nach einigen Wochen merkte Lisa, dass das Pharmaziestudium nichts für sie sei und überlegte schon, was sie dann machen möchte. Ich bin mir sicher, mit ihren Eigenschaften und ihrem Wissen wird sie was Passendes finden, was sie erfüllt und dann wird sie viel erreichen.

Zwei weitere Monate später zog meine Schwester von zu Hause aus und mit ihrem Freund zusammen, ich war wirklich traurig. Als sie dann alle Sachen gepackt hatte, kam sie und verabschiedete sich, ich war wirklich traurig und Luisa dann auch und wir mussten etwas weinen. Mir fehlten die erste Woche unsere Gespräche, die Sticheleien und das gemeinsame Essen und Fernsehen. Wir haben trotzdem jeden Tag Kontakt, worauf ich auch sehr viel Wert lege!

Zu dieser Zeit wurde in den Medien von Klimathemen berichtet, besonders seit „Fridays for Future“. Ich finde es ist ein sehr wichtiges Thema, bei dem auch gehandelt werden muss. Ich bzw. meine Familie und ich haben auch schon einiges geändert zum Beispiel: fliege ich seit 6 Jahren nicht mehr, fahre so wenig wie möglich mit dem Auto, trenne den Müll, mache so wenig wie möglich auf Papier. Zum Beispiel bei der Arbeit drucke ich die Geschichten aus dem Internet für die Senioren nie aus, sondern lade sie runter und lese sie von meinem Handy vor. Wenn ich mir neue Kleidung oder Schuhe kaufe überlege ich mir immer, „Ziehst du das wirklich an?“ und wenn ich dann etwas kaufe, trage ich es bis es kaputt geht. Ich habe sogar Kleidung und Schuhe in meinen Kleiderschrank, die ich schon in der achten Klasse getragen habe. Wir kaufen Glas statt Plastikflaschen und sonst haben wir unser Haus gedämmt um Öl zu sparen und ein paar technische Geräte ausgetauscht. Von der Politik werden Elektroautos sehr beworben, aber um die Motoren für die Elektroautos herzustellen werden in den Ländern, die ganzen Böden verseucht. Das heißt, wenn wir dieses Auto kaufen, schauen wir nur auf unsere CO2 Werte in Deutschland und unterstützen damit gleichzeitig das Verseuchen in anderen Ländern und das ist nicht okay und überhaupt nicht umweltbewusst! Erst wenn das geändert wird, kann man von Umweltfreundlichkeit bzw. Umweltbewusstsein reden.

Die Politiker und Minister sollten auch ein Vorbild sein, sie müssen heute nicht mehr zu jedem Gipfel und jeder Sitzungen Millionen Kilometer mit dem Flugzeug zurücklegen, sie könnten den Fortschritt der Technik nutzen und sich per Videochat oder ähnlichem austauschen. Dadurch könnte man schon eine Menge CO2 einsparen. Ich finde, jeder einzelne von uns sollte bei sich selbst schauen und da anfangen und um das andere sollte sie endlich die Politik kümmern. Aber bitte nicht nur auf den finanziellen Kosten der Bürger! Ich befürchte nämlich, dass die ganzen Vorhaben, die Grenzen zwischen Arm und Reich noch größer macht, weil zum Beispiel die Mietpreise, das Öl, Benzin usw. in enorme Höhen treiben wird. Und die Normalverdiener, zu den ich mich mit einbeziehe, die jetzt schon am Ende des Monats schauen müssen, ob das Geld noch ausreicht. Durch das Vorhaben, wie jetzt zum Beispiel, dass das Tanken teurer wird, macht für uns schon einen riesigen Unterschied, der dafür sorgt, dass wir keine finanziellen Rücklagen für Notfälle anhäufen können. Für mich würde das sogar heißen, dass ich später unser Haus nicht alleine finanzieren kann und das finde ich wirklich eine schreckliche Vorstellung.

Das Haus wurde von uns aufgebaut und ich will es unbedingt halten, weil es für mich alles bedeutet. Deswegen müssen die Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit ganz klar Hand in Hand gehen, damit es funktionieren kann! Ich bin gespannt, wie sich alles entwickeln wird!

Einen Monat vor Weihnachten begann ich mit meinen Bewohner Weihnachtsdekoration zu basteln, danach backten wir Muffins mit Schokoladenstückchen und später Kekse für den vorweihnachtlichen Geruch und Geschmack. Zur selben Zeit bekam ich vom Integrationsamt Post, ich dachte, dass wird endlich die schriftliche Genehmigung für meine Arbeitsassistenz sein.

Anschreiben vom Integrationsamt

So war es dann auch, mit dem schriftlichen Zusatz, dass sie meine Assistenz während der Dienstbesprechung, Buswartezeiten und der fünfzehn Minuten Arbeitszeit vor Arbeitsbeginn nicht finanzieren. Dafür das die Buswartezeiten nicht finanziert werden habe ich Verständnis, aber das sie nur die 20 Stunden zahlen die in meinen Arbeitsvertrag stehen, habe ich kein Verständnis! Ich bin immer fünfzehn Minuten vor Arbeitsbeginn da, weil ich mich noch umziehen muss und die Kopfstütze entfernen muss, die ich während der Busfahrt tragen muss. Für meine Assistenz ist das natürlich schon Arbeitszeit.

Ich war so sauer! Für mich hat das nichts mit Integration zu tun, wenn ich deswegen nicht an den Dienstbesprechungen teilnehmen kann. Nein, für mich ist das ausschließend und diskriminierend, die sogar meine Anstellung gefährdet. Ich soll nämlich im Jahr an vier bis fünf Dienstbesprechungen teilnehmen, das wäre insgesamt eine zusätzliche Zeit von acht bis zehn Stunden. Da kann ich nur sagen, dass ist noch im annehmbaren Rahmen. Vom Integrationsamt hätte ich erwartet, dass sie einen unterstützen und nicht, dass sie einem Steine in den Weg legen!!!! Da braucht sich das Integrationsamt gar nicht zu wundern, dass von den Unternehmen so wenig Menschen mit einem Handicap eingestellt werden, wenn man ihretwegen nicht an solchen Veranstaltungen teilnehmen kann.

Für mich ist es wichtig an den Dienstbesprechungen teilzunehmen, weil wir dort zum Bespiel über das Verhalten der Bewohner und Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes sprechen und wie wir mit den Bewohnern jetzt umzugehen haben, dies ist für meine alltägliche Arbeit sehr von Relevanz. Aus diesem Grund schrieb ich der Dame vom Integrationsamt erstmal eine E-Mail, in der ich meine Meinung deutlich zum Ausdruck brachte, dies half natürlich nichts aber ich fühlte mich erleichterter. Um das ganze verursachte Durcheinander wieder ins Reine zu bringen und um zu erreichen, dass meine Assistentinnen die fünfzehn Minuten Arbeitszeit vor Arbeitsbeginn auch bezahlt bekommen, telefonierte ich mit dem Anbieter. Wir fanden eine Lösung, wir banden die Krankenkasse mit ein, die haben im Moment ein Budget von 125,00 € für Betreuung. Dieses Budget finanzieren die fünfzehn Minuten Arbeitszeit vor Arbeitsbeginn für meine Assistenz. Für die Dienstbesprechung reichte dieses Geld leider nicht mehr, deswegen kam mein Papa, wenn eine Dienstbesprechung stattfand, ab 12:30 Uhr zu mir an die Arbeit und assistierte mir.

Ich finde es ist eine Sache der Unmöglichkeit, das ist nun wirklich nicht seine Aufgabe!

Jetzt war endlich der 20.12.19 und damit mein Termin in der Uni, in der Neurologie gekommen. Ich war dieses Mal irgendwie voller Hoffnung und Erwartungen, da jetzt endlich Therapiemöglichkeiten gefunden wurden. Aber ich versuchte mit all meiner Macht diese Erwartungen in mir zu unterdrücken. Dr. Koch erklärte mir alles ausführlich über die Therapiemöglichkeiten, das Medikament „Zolgensma“ komme für mich nicht in Frage, weil es nur bei Kindern bis zu 20 Monaten angewendet werden kann. Da der Virus, den man injiziert, ein Schnupfenvirus ist und ich in meinen alter natürlich schon Antikörper dagegen habe, da ich selbstverständlich schon im Laufe meines Lebens eine Erkältung hatte. Das Medikament „Risdiplam“ würde für mich tatsächlich in Frage kommen, es hat die selbe Wirkung wie „Nusinersen“ nur, dass mir hier nicht das Medikament über die Wirbelkanale der Wirbelsäule injiziert wird, sondern ich kann es oral einnehmen, da der Wirkstoff in Tabletten oder als Saft erhältlich ist. Und für mich hätte „Risdiplam“ viel weniger Risiko als „Nusinersen“, da mir die Spritze unter Strahlung von dem Röntgengerät oder einen extra Zugang zum infizieren legen müssten. Das einzige Problem: „Risdiplam“ hat noch keine Zulassung, aber Dr. Koch sagte, dass im Februar ein Kongress stattfindet, wo der Wirkstoff vorgestellt wird und wenn man bei mir kein Loch zum injizieren des Wirkstoffes von „Nusinersen“ findet wegen meiner Wirbelsäulenversteifung, dann könnte wir Mitte nächsten Jahres ein Härtefallantrag stellen, wodurch ich „Risdiplam“ schon vor der Zulassung bekommen könnte. Das fand ich eine großartige Idee!

Dann machte der Arzt wieder die üblichen Tests und es war genau das Ergebnis, wie beim letzten Mal.

Anschließend fragte ich noch, warum bei mir der Krankheitsverlauf von Typ zwei abweicht, da ich gelesen hatte, dass es schon schlimmer sein müsste, nachdem was ich gelesen habe, würde bei mir der Typ drei besser passen. Er sagte, ja da sei ich richtig informiert, mein Verlauf ist wie bei Typ drei, es wurde bei mir nur Typ zwei klassifiziert, weil die Erkrankung schon im früheren Kindesalter diagnostiziert wurde. Diese Information fand ich sehr interessant und so konnte ich endlich nachvollziehen, warum es so ist, wie es ist. Anschließend fragte ich noch, ob er meine genetischen Befunde aus Würzburg bekommen habe, die ich für die Registrierung benötigte. Aber dort hatte er sie noch nicht erhalten, erst zwei Wochen später. Die Befunde schickte er mir dann per Mail zu.

Nach dem Termin im Krankenhaus war ich etwas enttäuscht, ich hatte durch die tollen Berichte über „Zolgensma“ wo geschrieben wird, dass es ein Meilenstein in der Medizin ist und der Durchbruch sein könnte irgendwie die Hoffnung, dass es tatsächlich so ist. Ich hatte zwar gelesen, dass es nur im frühen Kindesalter verabreicht wird, aber ich dachte mir, man kann das Virus durch ein anderes ersetzen und dann hätte es den selben Erfolg bei erwachsenen, vielleicht nicht ganz so stark, weil die Krankheit schon weiter fortgeschritten ist aber noch eine deutliche Besserung. Ich habe mich praktisch schon besser stehen und kurze Stecken laufen gesehen, ach, das wäre ein Traum. Deswegen war ich die nächsten Tage etwas deprimiert, aber „Risdiplam“ gab mir Hoffnung und vielleicht würde das mit dem Härtefallantrag auch klappen. Dieser Lichtblick ließ mich wieder positiv in die Zukunft blicken.

Sechs Wochen später ließ ich dann extra noch einen weiteren Bluttest (Gentest) durchführen, wo die SMN2-Kopienzahlen bestimmt werden konnten. Dieser Test wurde aus Österreich in meine Arztpraxis geschickt, dort wurde mir Blut abgenommen, anschließend wurden meine Blutproben zurück nach Österreich geschickt, dort fand die Untersuchung und Auswertung statt. Drei Wochen später bekam ich das Ergebnis:

Ich ließ diesen Test durchführen, weil sie es gerne bei „Treat“ wissen wollten und weil es für die Forschung interessant ist und ich trage immer gerne zum Fortschritt bei. Dann konnte ich die Befunde endlich an www.treat-nmd.de/register schicken. Eine Woche später bekam ich von Treat ein Heft (Leitfaden zu den Internationalen Therapiestandards für Spinale Muskelatrophie) zu geschickt, dort konnte ich alles über SMA erfahren. Das meiste wusste ich schon, nur zwei Sachen waren für mich neu. Und zwar, dass bei Typ 3 zwischen Illa und Illb unterschieden wird. Zu den Typ Illa gehört man, wenn die Symptome von 18 – 36 Lebensmonat auftreten und zum Typ Illb wird man eingeteilt, wenn die Symptome ab den 3. Lebensjahr bis zum 18. Lebensjahr auftreten. Und dass das Medikament „Albuterol“ („Salbutamol“ in Tablettenform) leicht positive Ergebnisse in Bezug auf die Muskelkraft zeigt, dies sei aber noch nicht nachgewiesen.

Ein paar Tage später hatte ich einen Termin beim Ohrenarzt, da ich immer noch die Probleme mit den Ohren hatte: ich konnte auf dem linken Ohr deutlich schlechter hören und hörte mich die ganze Zeit selbst atmen. Man könnte praktisch schon die Uhr danach stellen, wann das Ohr zu ging. Ich war immer gerade kurz auf der Arbeit, dann ging das Ohr zu und erst abends um zwanzig Uhr wieder auf. Sonst war ich dadurch schlapp und müde. Der Ohrenarzt schaute in mein Ohr und machte einen Hörtest, danach sagte er, mein Ohr sei vollkommen in Ordnung, meine Nackenmuskulatur wäre so verspannt, dass sie auf die Durchlüftungskanäle im Ohr drückt und deswegen könnte ich schlechter hören. Diese Diagnose fand ich schrecklich, denn das hieß nämlich für mich ich habe da länger, vielleicht sogar immer, etwas davon. Ich machte Krankengymnastik, heiße Rolle, dehnen und ziehen der Muskulatur das zum Lockern dienen sollte und sonst nahm ich eine Wärmflasche und „Diclofenac“-Schmerzgel. Es half ein bisschen aber früher oder später ging mein Ohr wieder zu, aus diesem Grund machte ich mir einen Termin beim anderen Ohrenarzt.

Der stellte eine andere Diagnose und zwar eine klaffende Tube (ständig geöffnete Ohrtrompete), deswegen nehme ich alles stärker wahr, das Atmen, das Schlucken, das Kauen und alles um mich herum hörte ich leiser. Die Ärztin meinte bei mir komme das wahrscheinlich daher, da ich kaum noch Fettpolster habe, die sich normalerweise neben der Ohrtrompete befinden, um alles zu dämpfen (die Geräusche der Atmung/schlucken/kauen) es könnte aber auch von der geschwächten Muskulatur kommen. Ich fragte, was man dagegen Unternehmen kann, sie meinte, eine Gewichtszunahme könnte helfen oder man könnte „Hyaluron“ als Polster unterspritzen, aber das würde keine große Wirkung zeigen. Auch die Diagnose fand ich nicht besser, da ich mit beiden Diagnosen länger zu kämpfen habe, ich habe gehofft ich bekomme einfach ein Medikament und dann ist es geklärt. Eine Gesichtszunahme ist für mich unglaublich schwer, wie Sie wissen. Wenn ich sehen, worauf mein Essverhalten überall Einfluss nimmt, denke ich, ich bin wirklich unglaublich dumm. Und denke, ich könnte es leicht ändern aber irgendwie kann ich mich nicht dazu überwinden. Ich habe seit Kurzem meine Ernährung umgestellt, ich habe mein Buttertoast gegen ein Vollkorntoast getauscht, trinke morgens immer ein Glas Milch, esse ein oder zwei Mal die Woche ein Ei und abends 30 Gramm Erdnüsse. Wie sie sehen, sind das alles Eiweißprodukte, schon alleine dies war für mich eine große Überwindung. Aber ich merkte dadurch eine Veränderung, die Zuckungen wurden weniger, das kann natürlich ein Zufall sein aber mein Proteinbedarf zu steigern, schädigt ja in keinem Fall.

Ich weiß, dass ich vor allem an meiner Essensmenge arbeiten muss, es ist schlicht und einfach zu wenig. Gut, dass ich die „Frisubindrinks“ bekomme, die halten das alles noch etwas aufrecht. Aber irgendwann in Zukunft muss ich daran etwas ändern.

Im Internet las ich über die ständig geöffnete Ohrtrompete, dort las ich, dass Kaugummi kauen helfen kann. Ich probierte es aus und durch das viele Kauen wurde die Muskulatur angeregt, die ersten Tage bekam ich sogar Muskelkater davon. Zusätzlich versuchte ich etwas, meinen Stress zu reduzieren. Dann nach zwei Wochen war tatsächlich eine Verbesserung zu merken.

Mittlerweile war Februar geworden und wie von Arbeitsamt und Integrationsamt gewünscht, stellte ich ein halbes Jahr vorher wieder einen Antrag für die Übernahme der Kosten für den Fahrdienst und meine Assistentin. Es ist ja gut möglich, dass mir nach dem 31.07.20 ein unbefristeter Vertrag von GDA angeboten wird und dann muss natürlich alles schon beantragt und genehmigt sein. Für meine Bewohner dachte ich mir ein Spiel aus, dass wir gemeinsam erstellten und natürlich auch spielten: Für das Spiel benötigen wir sechs Felder mit unterschiedlichen Symbolen, die wir selbst erstellten (bastelten), ein Spielstein und einen Würfel, den wir uns von den Mensch-ärgere-dich-nicht Spiel liehen.

So sehen die sechs Felder aus

Auf einem Feld sind Zahlen, wenn man auf dieses Feld kommt, wird gerechnet, auf dem Feld mit den Buchstaben, nenne ich einen Buchstaben und die Bewohner können mir dann einen Beruf, Namen, Tier, Nahrungsmittel und Gegenstand mit dem jeweiligen Buchstaben nennen. Auf dem Feld mit dem Fragezeichen stelle ich eine schwere Frage oder ein Rätsel. Auf dem Feld mit dem Buchstaben S beginne ich mit dem Anfang von einem Sprichwort und sie können es fortführen, auf dem Feld mit der Europakarte nenne ich ein Land und sie mir die dazugehörige Hauptstadt. Auf dem Feld mit der Hand, machen wir motorische Übungen für die Finger oder ich nenne den Bewohnern einen Begriff, sie können ihn zeichnen und die anderen Bewohner erraten es. Es funktionierte gut und machte uns großen Spaß.

Zur selben Zeit wurde in den Nachrichten immer öfter von dem Coronavirus berichtet, da bekam ich schon das Gefühl, dass das Virus uns länger beschäftigen und einige Opfer fordern wird. Aber damit, dass das ganze gesellschaftliche/soziale Leben fast komplett eingeschränkt wird und die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, damit hätte ich nicht gerechnet. Als dann Kitas, Schulen usw. geschossen wurden, wusste ich, die Situation ist ernst! Sarah schrieb mich an und erzählte mir, dass sie zu Hause ist und sagte, dass sie sich Sorgen macht, weil ich noch arbeiten bin und ich mich infizieren könnte. Das fand ich sehr rührend von ihr, dass ich ihr nach vielen Jahren, die wir uns nicht persönlich gesehen habe, noch so am Herzen liege. Das bedeutet mir viel!

Ich hatte einen Tag frei und musste wegen der Auffrischung der Tetanusimpfung zum Arzt, da hatte ich wirklich Angst mich zu infizieren, aber es musste sein.

Ich bekam die Impfung und mein Arzt fragte, ob ich noch zur Arbeit gehe. Ich antwortete: „Selbstverständlich“. Er sagte, es sei viel zu gefährlich für mich momentan zu arbeiten, wegen des Coronavirus, da ich wegen meiner Grunderkrankung zu den Risikopatienten gehöre. Ich erzählte von unseren hohen Sicherheitsvorkehrungen beim GDA und dass ich unbedingt weiterarbeiten möchte, um meine Übernahme nicht zu gefährden. Mein Arzt sagte dann: „Ich sage es Ihnen jetzt direkt, ist ihn die Arbeit oder ihr Leben wichtiger? Deswegen werde ich Sie erstmal zwei Wochen vorsorglich krankschreiben“. Nach den zwei Wochen bekam ich ein Beschäftigungsverbot vom Arzt.

Begründung des Beschäftigungsverbot

Ich durfte nicht raus, nicht zum Einkaufen und auch nicht für die Krankengymnastik (KG), für nichts, ich fand es schrecklich, nicht zur Arbeit zu dürfen. Gerade wo ich wusste, dass jetzt jeder gebraucht wird und natürlich hatte ich Angst dadurch meine Übernahme zu gefährden, ich fehle sonst nämlich nie. Und gegenüber meinen Kollegen hatte ich ein schlechtes Gewissen. Meine Chefin reagierte sehr verständnisvoll, ich war so froh für ihr Verständnis. Die Zeit zu Hause lenkte ich mich ab mit Sport, Fernsehen und damit dies hier zu schreiben. Aber für mich war ein Tag, den ich nicht nutze um andere glücklich zu machen oder etwas Positives für die Gesellschaft beizutragen, ein ungenutzter Tag! Ich vermisste meine Bewohner schrecklich, meine Kollegin Steffi hielt mich, Gott sei Dank, jeden Tag auf dem Laufenden, wofür ich ihr unendlich dankbar bin.

So konnte ich ein bisschen am Alltag teilnehmen. Ich fand es nicht in Ordnung, dass es in Deutschland keine Regelung bezüglich der Risikopatienten gab, in England und anderen Ländern gab es diesbezüglich schnell eine Regelung. Deswegen überlegte ich mir, wie ich etwas dazu beitragen kann, damit es voran geht. Ich rief beim Bürgertelefon an und fragte, ob es diesbezüglich Beschlüsse gibt bzw. bald geben wird. Aber sie wussten auch nichts, deswegen entschied ich mich eine E-Mail an Maybrit Illner, Markus Lanz und Steffen Hallaschka (Stern TV) zu schreiben, damit Sie dieses Thema in Ihrer Sendung ansprechen und mit den Politikern darüber eine Diskussion führen. Dies schrieb ich in die E-Mail:

Sehr geehrte Frau Illner, sehr geehrter Herr Lanz, sehr geehrter Herr Hallaschka,

ich bin Michelle Hübner und 23 Jahre alt. Ich zähle aufgrund meiner Grunderkrankung (spinaler Muskelatrophie) zu den Risikopatienten. Ich habe vor einem halben Jahr in einem Pflegeheim angefangen, als Betreuungskraft, zu arbeiten. Ich habe einen befristeten Vertrag, von einem Jahr, erhalten. Bevor das Coronavirus aufgetreten ist, hatte ich gute Chancen, einen Folgevertrag zu erhalten.

Nun darf ich, aufgrund meiner Erkrankung, nicht mehr zur Arbeit und fürchte, dadurch bald meine Anstellung bzw. meinen Folgevertrag zu gefährden. Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, dieses Thema, in Ihrer Sendung zu thematisieren und von den Politikern, in Ihrer Sendung, eine Regelung für alle Risikopatienten zu fordern, wie es auch schon in England beschlossen wurde.

Mit freundlichen Grüßen

Michelle Hübner

Ich bekam aber leider keine Antwort auf meine E-Mails. Sonst setzte ich bei Whatsapp oft Statuse rein, um meine Kontakte immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, sich an die Regelung von der Regierung zu halten. Den wenn man dies nicht tut, haben wir Leben auf dem Gewissen.

Nach zweieinhalb Wochen Sicherheitsquarantäne fühlte ich mich so unnütze und fand keinen Sinn mehr. Als dann auch noch die Seniorin bei mir zu Hause anrief, über die ich bei meiner Qualifikation die Biografie geschrieben habe und sie sagte, wie sehr ich an der Arbeit fehle, wurde dieses Gefühl noch stärker! Ich bin mir sicher, wenn ich meine Familie, die in dieser Zeit mein einziger Lichtblick war, nicht gehabt hätte, wäre ich gegen ärztlichen Rat zur Arbeit gegangen. Egal wie das Virus hätte bei mir enden können.

Wenn man dem Virus etwas Gutes abgewinnen kann dann, dass der Beruf der Kassierer/in, Pflegern/in, Schwestern, Erzieher/in, Lieferant/in und Postbote/in endlich mal die Anerkennung bekommt, die ihnen zusteht! Ich hoffe sehr, dass wir das Virus alle überstehen und wir es bald eindämmen können oder ein Medikament dagegen entwickeln.

Da Sie meine Lebensgeschichte bis jetzt kennen, sehen sie, dass mein Leben mit der Krankheit nicht schlimm ist. Das können andere Betroffene anderes sehen und mich für die Aussage hassen, aber ich sehe es so. Natürlich schränkt die Krankheit mein Leben ein und ich will auch gar nicht verneinen, dass ich ab und zu durch sie ein Tief habe. Aber durch die heutigen Hilfsmittel und Menschen, die einem helfen, ist es fast ein normales Leben. Das einzige, was mein Leben wirklich erschwert, ist der immer wiederkehrende Kampf mit den Behörden wegen den Gesetzen. Und das alles, weil die Gleichstellung noch nicht fortgeschritten ist. Natürlich ist es im Gegensatz zu vor 50 Jahren schon eine deutliche Verbesserung aber wir können erst von einer Gleichstellung sprechen, wenn wir für die selbstverständlichen Dinge nicht mehr kämpfen müssen!

Hier ein paar Vorschläge: vom ersten bis zum zehnten Schuljahr sollte man nicht jedes Jahr einen neuen Antrag für den Fahrdienst und die Einzelfallhilfe stellen müssen. Es sollte vor dem ersten Schuljahr ein Antrag eingereicht werden und der wird dann ausführlich geprüft. Wenn da ein „ja“ rauskommt und man die ärztlichen Unterlagen prüft und die ergeben, dass die Krankheit so bleibt oder sich sogar verschlechtern kann, dann sollte der Antrag von der ersten bis zur zehnten Klasse genehmigt werden. Besonders da man eine zehnjährige Schulpflicht hat. Des Weiteren sollte man beim Planen von Gebäuden oder bei Straßen bzw. dem Wegebau durch die Innenstadt viel mehr Menschen mit einem Handicap einsetzen. Weil nur diese Menschen wissen, wie schlecht es ist, über Pflasterstein usw. zu fahren und an andere Sachen denken, an die andere gar keinen Gedanken verschwenden. Das sind nur ein paar Vorschläge, ich hätte noch mehr.

Für meine Zukunft wünsche bzw. erhoffe ich mir, dass meine Familie gesund bleibt und lange lebt. Dass meine Krankheit auf dem jetzigen Stand bleibt oder dass sie ein Medikament entwickeln, das die Krankheit aufhebt.

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