Die Grundschulzeit (2004 – 2008)

Ich war sehr aufgeregt vor meiner Einschulung, aber sie war wunderschön. Ich hatte eine Schultüte von Diddl und einen Schulranzen mit Rehkitzen. Meine Klasse war gut und meine Lehrerin war in Ordnung. Mitschüler, die etwas Dummes zu mir sagten, bekamen immer gute Sprüche von mir zurück, ich gebe Ihnen ein Beispiel: wenn mich jemand lange doof anschaute, sagte ich zu der Person: „Warum schaust du so, willst du ein Passbild von mir haben?“. Der Blick nach diesem Spruch war immer unbezahlbar. Oder ich wusste welche Farben die jeweilige Person nicht mochte und habe sie ihm dann einfach gezeigt, dann kam nichts mehr. Das Prinzip ging leider nur bis zum Ende der Grundschule. Aber oft musste ich dieses Prinzip nicht anwenden, da fast alle nett waren. In der ersten Klasse im zweiten Halbjahr kam ein neues Mädchen namens Elisa (ich nenne sie aber nur Lisa) zu uns in die Klasse, sie kam aus Kasachstan und konnte noch nicht viel deutsch. Sie lernte so schnell deutsch zu sprechen, was wirklich beeindruckend war. Ich weiß nicht mehr wer was zuerst gesagt hatte, aber wir verstanden uns sofort super. Ab dort waren wir unzertrennlich und verbrachten jede Pause zusammen und saßen im Unterricht nebeneinander.

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Lisa und ich bei der Faschingsschulfeier

Die Pausen waren an der Schule für mich das Beste, wir aßen zusammen an den Tischtennisplatten, ansonsten spielten wir Avatar und Winx aus dem Fernseher nach. Manchmal spielten wir auch Kutsche und Pferd, Lisa war das Pferd und ich natürlich die Kutsche. Sie zog mich mit einem Seil und dann sausten wir über den Schulhof.

Als mein Vater das einmal sah, als er mich von der Schule abholen wollte, fiel er fast aus allen Wolken, wie man so schön sagt. Er fragte mich, ob ich noch ganz normal sei. Ich sagte nur, ja, es mache einen riesen Spaß.

Das war nicht das einzige Mal, dass ich meinen Papa und meine Mama total erschreckt hatte, mit 8 Jahren wollte ich wissen, wie es sich anfühlt aufrecht einen Berg runter zulaufen. Deswegen habe ich meinen elektrischen Rollstuhl in Stehposition gefahren und bin den Berg so runtergefahren, damit ich diese Erfahrungen auch einmal mache. Es war wirklich total anders als im Sitzen, die Perspektive war eine ganz andere. Ich hatte das Gefühl, alles sehe schöner aus und natürlich kleiner. Leider war das Gewicht dann so schlecht verteilt, dass der Rollstuhl gerade nach vorne gefallen ist. Dann rutschte ich den Berg mit dem Rollstuhl runter, aber ich hatte einen besonders guten Schutzengel. Ich hatte nur einen total blauen Arm, mehr nicht.

Nach der Schule kam Lisa fast immer mit zu mir nach Hause, wir machten erst die Hausaufgaben. Weil es ja so schön, heißt erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Nachdem wir die Hausaufgaben beendet hatten, begannen wir mit Barbies zu spielen, das hatten wir so gerne getan.

Wenn wir nicht Babies spielten, waren wir draußen bei meinem Kaninchen Hoppel oder wir gingen mit meiner Schwester auf den Sportplatz, da dieser vor einem Wald war, sah er immer gruselig aus, also erfanden wir gruselige Geschichten was dort alles passiert sein könnte. Meine Schwester und Lisa verstanden und verstehen sich sehr gut, das war mir auch sehr wichtig, weil sie für mich die besten Freunde waren und nach wie vor auch noch sind.

Als ich mal wieder eine Routineuntersuchung hatte, hätte ich mir gewünscht lieber in der Schule gewesen zu sein. Die Untersuchungen verliefen gut, ich war fit und die Untersuchungsergebnisse ergaben, dass ich nicht schwächer war als davor. Also fragte ich die Ärztin, ob ich irgendwann wieder laufen könne? Die Ärztin sagte mir mit einer totalen emotionslosen Stimme, nein, ich würde nie laufen können, es sei denn, wir würden ein Medikament erfinden. Aber im Moment sieht es noch nicht danach aus. Für mich als 9-jähriges Mädchen brach natürlich eine Welt zusammen, wie man so wenig Empathie haben konnte, konnte und kann ich bis heute nicht verstehen. Ich hätte es auf jeden Fall anders gesagt, zum Beispiel: „Momentan haben wir noch kein Medikament oder eine Lösung für die Krankheit gefunden, aber wer weiß vielleicht, in ein paar Jahren kann der medizinische Fortschritt schon so weit sein, aber momentan wirst du noch auf den Rollstuhl angewiesen sein. Glaube aber an den Fortschritt der Medizin, früher hätte man auch nicht gedacht, dass man ein Herz transplantieren kann.“ Ich denke, dass die Ärzte nach einiger Zeit vergessen die Menschen zu sehen und wir nur noch eine Patientenakte für sie sind.

Drei Tage danach war ich noch traurig, auch in der Schule, bis mir ein Junge aus meiner Klasse sagte: “Du darfst nie die Hoffnung aufgeben.“ Ich war für diesen Satz so dankbar! Ich begriff, dass er absolut recht hatte, die Ärzte können nicht wissen, was es in zehn Jahren alles geben wird. Und ich hatte mir vorgenommen, mich unbedingt körperlich fit zu halten, damit werde ich es den Ärzten schon zeigen, sie würden kein Recht behalten!

Danach hatte ich wieder totalen Spaß mit meinem Freunden.

Bald stand mein Geburtstag vor der Tür und ich wollte mit Luisa und Lisa unbedingt etwas Schönes machen, also gingen wir zum Schwimmen. Dazu muss ich sagen, dass ich das noch nie mit einer Freundin gemacht hatte, weil es mir total unangenehm war, da ich nicht schwimmen konnte, wegen meiner Krankheit und mein Vater mich immer ins Wasser tragen muss. Aber vor Lisa musste mir nix unangenehm oder peinlich sein und für meine Schwester war es ganz normal. Mein Geburtstag wurde wunderbar Lisa, meine Schwester und ich hatten einen ganz tollen Abend. Danach aßen wir noch Pommes und Chicken McNuggets, anschließend fuhren wir nach Hause.

Schnell vergingen die Grundschuljahre und wir waren in der vierten Klasse, inzwischen war meine Schwester auf meiner Schule in der ersten Klasse. Jetzt verbrachten wir die Pausen zu dritt und bald zu viert, meine Schwester fand eine nette Freundin.

Das letzte Jahr an der Grundschule war noch sehr schön, ich bekam eine Realschulempfehlung, zwar keine gute aber naja. Ich habe auch nicht viel gelernt, ich wollte lieber eine schöne Zeit haben.

Von da an gingen Lisa und ich auf getrennte Schulen, sie auf ein Gymnasium und ich auf IGS. Mir blieb aber auch keine andere Wahl als diese Schule oder wieder die Heinrich-Böll-Schule, weil es nur dort mit dem Rollstuhl ging. Dies machten wir beim Vorstellungsgespräch an der IGS auch klar. Wenn Sie mich fragen, ist es absolut ungerecht, dass man als gehandicapter Mensch nur so eine geringe Auswahl hat. Ich finde jede Schule sollte für jeden Menschen zur Auswahl stehen! Deshalb sollte dort die Politik ENDLICH eingreifen. Nach ein paar Wochen bekam ich eine Zusage von der IGS. Natürlich mussten meine Eltern wieder einen Antrag beim Landkreis stellen, wegen der Kostenübernahme von meiner Einzelfallhilfe und jetzt auch für den Fahrdienst. Ab der fünften Klasse wurde ich nicht mehr von meinem Papa zur Schule und zurück nach Hause gefahren, weil der Weg zur IGS weiter war als der zur Grundschule. Uns wurde der günstigste Fahrdienst vom Landkreis rausgesucht. Das hatte man leider auch gemerkt!

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