Der Härtefallantrag, Risdiplam und die momentane Situation in den Pflegeberufen (Oktober 2020 – Februar 2021)

Als mein Neurologe und ich am 23.09.20 beschlossen den Härtefallantrag zu stellen, war ich ab dem Nachmittag ungeduldig, wie lange dieser Antrag dauern wird und wann ich das Medikament endlich bekomme. Ich weiß, unbegreiflich, ich konnte es einfach nicht erwarten und es scheint, als wäre Geduld nicht meine Stärke. Mir war natürlich bewusst, dass Risdiplam (verkauft wird es unter den Namen Evrysdi) noch nicht die Lösung für meine Erkrankung ist, darauf wies mich der Neurologe noch einmal ausdrücklich in unserem Telefonat hin. Er sagte: “Frau Hübner, haben Sie nicht zu hohe Erwartungen an das Medikament. Es wird nicht so sein, dass sie Risdiplam bekommen und einen Tag später ist die Erkrankung weg und sie können laufen. Es könnte aber sein, dass das Medikament, wie bei den anderen Patienten, einen Erfolg zeigt.” Das sind die erzielten Erfolge: Stabilisierung der Krankheit, selbstständiges Atmen und Schlucken, Aufrechthalten des Kopfes (mehr Rumpfstabilität), Sitzen ohne Unterstützung, Verbesserung der motorischen Funktionen. Bei manchen kam es zum stabileren Stehen und zu kleinen Schritten. Mir war bewusst, was ich zu erwarten habe und was nicht. Ich erhoffte mir eine Stabilisierung der Erkrankung und mehr Rumpfstabilität, bei meinen Nackenproblemen, die ich im Moment habe. Auf das bessere Stehen und eventuell kleine Schritte laufen, wagte ich nicht zu hoffen. Selbstverständlich hat Risdiplam auch Nebenwirkungen, die da wären: Fieber, Durchfall, Infektionen der oberen Atemwege, Ohrinfektionen, Lungenentzündung, Verstopfung, Erbrechen, Husten, Kopfschmerzen, Hautausschlag, Geschwüre im Mundbereich, Gelenkschmerzen und Harnwegsinfektionen. Die Nebenwirkungen sind nicht ohne, wie sie sehen, besonders die Sache mit den Infektionen der oberen Atemwege und der Lungenentzündung, gefielen mir nicht. Da eine Lungenentzündung bei SMA-Erkrankten tödlich verlaufen kann, aber es muss ja nicht sein, dass ich die Nebenwirkungen bekomme. Außerdem denke ich, man muss auch mal etwas wagen, dafür gibt es schließlich das Sprichwort: wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

Ich wusste alles über Risdiplam, da ich mich selbst viel informierte. Nach der Veröffentlichung meiner Biografie habe ich mich bei der Patientenstimme SMA registriert. Das ist ein von Thomas und seiner Lebensgefährtin in 2019 ersteller n. e. Verein zur Selbsthilfe von Betroffenen. Von dort bekomme ich allermeist aktuelle Infos zum Geschehen per Mail zugeschickt. Davon gibt es auch noch einen Telegram Kanal und eine Facebook-Gruppe, aber ich bin kein eher Fan von Facebook.

Ich tausche mich meistens mit Thomas aus, da er selbst auch an SMA erkrankt ist. Für mich ist der Austausch wirklich sehr interessant, da ich so erfahre, wie er mit bestimmten Situationen umgeht und welche körperlichen Einschränkungen er hat. Daher wusste ich genau, was ich zu erwarten habe und was eben nicht.

Einige von Ihnen fragen sich bestimmt, was ein Härtefallverfahren bzw. Härtefallantrag ist und warum ich einen Härtefallantrag stellen kann? Ein Härtefallantrag für ein Medikament ist eigentlich nichts anderes, als dass man ein Medikament vor der Zulassung bekommen kann. Dafür muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ich kann den Antrag stellen, da ich die Kriterien dafür erfülle. Um den Antrag stellen zu können, muss man Typ eins oder zwei haben, ich habe Typ zwei, sonst kommen bei mir die anderen zugelassen Medikamente (Therapien) für SMA nicht infrage. Zolgensma beispielsweise nicht, weil es momentan nur Kindern verabreicht wird und Spiranza nicht, weil es bei mir sehr schwierig bzw. fast unmöglich ist, den Wirkstoff in den Wirbelkanal zu injizieren. Mir wurde gesagt, dass meine Wirbelsäule nicht gut aussieht und die Stangen (von der Wirbelsäulenversteifung) es schwierig machen an den Wirbelkanal zu kommen, es würde eventuell eine Stelle geben, aber es wäre schwierig. Vor dem Antrag musste ich meinem Neurologen noch schildern, wie es mir gesundheitlich in den letzten Monaten ergangen ist. Ich berichtete Ihm von meinen Nackenproblemen und das Ausstrahlen in meine Beine, die sich die letzten Wochen so anfühlten, als ob sie die ganze Zeit unter Anspannung wären, auch nachts. Außerdem hatte ich das Gefühl schlechter stehen zu können, daher hatte ich kaum noch Vertrauen in meine Beine und somit riesige Angst vorm Stehen. Mein Neurologe sagte das könnte auf eine Verschlechterung der Erkrankung hindeuten. Mittlerweile war ich wieder bei der Physiotherapie, meine Therapeutin erklärte sich meine ganzen Symptome nicht durch eine Verschlechterung der Krankheit, sondern durch extreme Verspannungen im Nacken, die in die Schultern/Arme und eventuell auch in die Beine ausstrahlen. Sie erklärte sich die starken Verspannungen durch eine tägliche Tätigkeit an der Arbeit, die die Arm- und Schultermuskulatur extrem beansprucht. Da man sich nicht sicher sein kann, dass es keine Verschlechterung der Erkrankung ist, erfülle ich damit alle Kriterien. Somit konnte das Härtefallverfahren starten.

Ich bin mir sicher, dass wir in ein paar Jahren vielleicht sogar eine Therapie entwickelt haben, die die Erkrankung heilen kann. Ich denke wahrscheinlich durch eine Gentherapie, ähnlich wie Zolgensma, ich sehe großes Potenzial in dieser Art von Therapien. Neulich habe ich einen SMA-Erkrankten Jungen mit Typ 1 gesehen, er war zwei Jahre alt und hatte Zolgensma bekommen.

Normalerweise können Kinder mit diesem Typen keinen Muskelwiderstand aufbauen, haben starke Probleme mit der Atmung und versterben in frühem Kindesalter. Durch Zolgensma hatte er keine Probleme mit der Atmung und konnte sogar stehen, seine Physiotherapeutin sagte bald würde er sogar anfangen zu laufen, einfach unglaublich! Natürlich sind die Fortschritte mit Training verbunden, vor Training habe ich mich noch nie gescheut, ich trainiere jeden Tag mehrere Stunden und für solche Fortschritte würde ich mich zu Höchstleistung treiben, ich glaube man müsste mich zum Aufhören zwingen.

Ich denke, dass die Gentherapien nicht nur für meine Erkrankung die Lösung sein könnten, sondern für noch viele anderen bisher unheilbaren Erkrankungen. Wenn ich so zurückdenke, gab es bis 2017 noch nichts gegen SMA und jetzt sind wir schon so weit gekommen, aus diesem Grund sehe ich der Zukunft sehr positiv entgegen.

Der Härtefallantrag lief und ich war mir sicher, dass mich die Arbeit ablenken würde, genauso war es auch. Einen Tag später kam ich an die Arbeit und mir wurde mitgeteilt, dass eine Bewohnerin heute morgen im Krankenhaus verstorben ist. Für mich ist es immer schlimm, wenn ein Bewohner verstirbt, aber mit ihr hatte ich ein ganz besonderes Verhältnis. Sie vertraute mir so viel über ihr Leben an, über ihre Gefühle und Gedanken, ich mochte sie sehr! Aus diesem Grund, war ich von der Nachricht sehr ergriffen. Ich musste kurz den Speiseraum verlassen und bin auf den Flur in eine Ecke, mir kamen die Tränen. Ich hörte sofort auf, da ich nicht wollte, dass mich die Bewohner so sahen. Ich wusste, wenn sie sehen würden, wie traurig ich bin, dass sie dann auch traurig sein würden, und das wollte ich auf keinen Fall. Ich ging wieder in den Speiseraum und beendete meine Begrüßungsrunde.

Danach räumten Sabine und ich die Tische ab und wischten sie anschließend. Dann führte ich ein paar Gespräche, anschließend wollten zwei Seniorinnen „Mensch ärgere dich nicht“ spielen. Dies ermöglichte ich ihnen selbstverständlich, wegen der Hygieneauflagen machte ich mir vorher Gedanken. Ich setzte die beiden Damen an einem Tisch, jede Dame ans andere Ende des Tisches, zwischen ihnen waren bestimmt zwei Meter. Jede von ihnen bekam einen eigenen Würfel und wie immer eine eigene Spielfigur, immer wenn eine der Damen würfelte, schob ich das Spielbrett hin und her, damit sie setzen konnten und der Abstand gewährt war. So war ein schönes gemeinsames Spiel möglich.

Nach der Arbeit zu Hause, ließ ich meine Trauer zu und vergoss einige Tränen, dann wurde mir bewusst, dass sie das nicht gewollt hätte. Ich dachte an unsere schönen Gespräche und Aktivitäten, kurz danach dachte ich an den Schlüsselanhänger, den sie mir ungefähr vor einem Jahr geschenkt hatte. Es ist ein kleines Männchen, mit einem Zylinder auf dem ein vierblättriges Kleeblatt ist, in seinen Händen hält er ein Hufeisen mit einem Marienkäfer darauf. Sie meinte damals: „Den möchte ich ihnen einfach so schenken, der soll Ihnen Glück bringen und Sie beschützen.“

Seitdem trage ich den Anhänger immer an meinem Schlüsselbund, jetzt ist sie also immer bei mir und wir verbreiten gemeinsam gute Stimmung an der Arbeit. Natürlich werde ich noch etwas traurig, wenn ich jetzt auf Ihren Sitzplatz im Speisesaal schaue oder in ihr Zimmer gehe und dort eine andere Bewohnerin vorfinde, aber das gehört leider zum Leben und zu meinem Beruf dazu.

Die Tage vergingen und wurden schnell zu zwei Wochen, da las ich wieder über Risdiplam und sah zum ersten Mal die Kosten. Im Internet stand für Patienten ab einem Gewicht von 22 Kilo steigen die Jahrestherapiekosten auf circa 288.000 Euro. Wenn ich dann daran denke, dass ich nochmal einiges mehr wiege, steigen die Kosten auf das doppelte. Echt saftige Preise sage ich da, obwohl Spiranza und Zolgensma noch kostenintensiver sind. Man muss aber auch sehen, dass Zolgensma eine einmalige Behandlung ist und Risdiplam und Spiranza ein Lebenslang verabreicht werden müssen, so dass man sagen kann, dass auf Dauer gesehen beide Behandlungen teurer sind. Als ich meinem Papa von den Kosten erzählte, sagte er: “Ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt? Da habe ich Zweifel.” Genau das selbe habe ich gedacht, als ich von den Kosten der Therapie las. Aus diesem Grund entschied ich mich bei Roche anzurufen. Ich rief an und sagte: “Ich habe im Internet von den Kosten für Risdiplam erfahren und wollte fragen, ob ich vor Beginn der Einnahme noch etwas wegen der Übernahme der Kosten mit der Krankenkasse klären muss?“ Die Dame von Roche antwortete, ich müsse nichts mit der Krankenkasse abklären, bis zur Zulassung von Risdiplam würden sie die Kosten übernehmen. Ich bin unglaublich dankbar dafür und möchte mich hiermit bei Roche offiziell bedanken, dass Sie die Kosten übernehmen und einem dadurch ermöglichen, vor der Zulassung das Medikament zu bekommen. Dann dachte ich nutze ich gleich die Gelegenheit und erkundige mich, wie es mit meinem Antrag aussieht. Sie sagten mir, dass sie aus Rechtlichen- und Datenschutzgründen nicht nach meinen persönlichen Daten suchen können, da sie die Patientennamen nicht haben. Aber sie könnten nach dem Namen meines Arztes und dem Standort der Klinik schauen. Sie schaute nach, konnte aber nichts finden, sie sagte, sie möchte noch einmal mit ihren Kollegen suchen und sich dann wieder bei mir melden.

Zwei Tage später erzählte sie mir, dass tatsächlich kein Antrag von mir vorliege und wenn ein Antrag da gewesen wäre, dann wäre es nach zwei Wochen, wenn der Antrag komplett und korrekt ausgefüllt wäre, auch schon genehmigt. Ich bedankte mich für die Informationen und legte auf. Ich war enttäuscht und etwas sauer, ich konnte mir das einfach nicht erklären. Ich glaube so richtig kann mich niemand verstehen, warum ich so hinter diesen Medikamenten her bin und warum ich meinem Arzt immer schreibe. Ich glaube so richtig nachvollziehen, können mich am besten die, die auch an SMA erkrankt sind. Für Sie, die keine SMA haben möchte ich gerne ein paar Beispiele nennen, wie es im Alltag mit SMA ist. Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, dann setzen Sie sich hin und stehen auf. Bestimmt haben Sie sich darüber nie Gedanken gemacht, es funktioniert einfach. Bei mir ist es anders, ich kann mich nicht alleine aufrecht setzen, ich benötige Hilfe (durch eine Person oder von technischen Hilfsmitteln), genauso beim Aufstehen. Ich kann mit helfen, dass ich stehe, aber ich kann nie sicher sein, dass meine Beine mich halten. Wenn Sie einen Topf oder eine volle Butter hochheben, dann strengt Sie das nicht groß an, für mich ist das schwer. Oder kochen Sie gerne? Wenn die Antwort ja lautet, dann schälen Sie die Kartoffeln usw. und es macht ihnen nur Spaß und Sie freuen sich auf das Essen. Ich koche oder helfe gerne beim Kochen, schäle Kartoffeln, Karotten usw. nur strengt mich das wirklich an, ich bin dann kaputt und habe Muskelkater. Natürlich hält mich das nicht davon ab! Ich hoffe Sie denke jetzt nicht „Oh die arme!“ oder setzen einen Mitleidsblick auf, das will ich nicht, ehrlich gesagt, ich hasse es! Jeder hat so sein Päckchen zu tragen und das ist nun mal das meine.

Jetzt haben Sie einen kleinen Einblick. Ich befürchte tatsächlich, dass meine Nackenprobleme auf eine Verschlechterung hindeuten, deswegen bin ich hinter diesen Medikamenten so her. Es würde dafür sorgen, dass es auf dem jetzigen gesundheitlichen Stand bleibt, so dass ich vor weiteren Verschlechterungen keine Angst haben müsste und vielleicht stabilisiere ich mich und mir fallen dadurch einige Alltagstätigkeiten leichter, das wäre ein Traum. Einen Tag würde ich gerne mit jemandem tauschen der keine SMA hat, nur um zu wissen, wie es ist und wie es sich anfühlt, wenn ich mir überhaupt keine Gedanken machen müsste, ob mich meine Beine tragen, sie würden es einfach tun. Es wäre bestimmt ein unglaublicher Tag für mich, ich hoffe durch meine Erzählung wissen sie es jetzt mehr zu schätzen, was Sie alles können. Da fällt mir ein Gespräch ein, was ich vor vielen Jahren mit meiner Schwester hatte, sie meinte, sie würde wirklich nicht damit zurechtkommen, mit dieser Erkrankung zu leben und sie fände es gut, wie ich damit umgehe. Da bin ich echt froh, dass Gott oder wer auch immer, mich und nicht meine Schwester gewählt hat, weil ich gut damit zurechtkomme und froh bin, dass meine Schwester diese Erkrankung nicht hat!

Sofort nach dem mir Roche mitteilte, dass Sie keinen Antrag von mir hatten, schrieb ich meinem Neurologen. Er erzählte mir, dass er Urlaub hatte und jetzt seit einer Woche sehr eingespannt sei. Das verstand ich, da ich selbst weiß, wie schlecht die Pflegeberufe im Moment besetzt sind, darauf werde ich noch in diesem Kapitel eingehen. Er wollte den Antrag aber diese Woche stellen, dann musste ich Ihm noch ein paar Fragen beantworten, eine Datenschutzerklärung unterschreiben und einen Schwangerschaftstest durchführen. Nur wenn der Test negativ ist, würde ich das Medikament bekommen.

Ich beantwortete zügig die Fragen, unterschrieb die Datenschutzerklärung und teilte ihm mit, dass der Schwangerschaft negativ sei. Der Antrag wurde am 14.10.20 gestellt, jetzt begann das Warten von vorne.

In der Zwischenzeit ging ich weiter zur Arbeit, befürchtete aber, bald wieder zu Hause zu sein, da die Corona-Zahlen wirklich sehr in die Höhe gingen. Deswegen beschloss ich die Tage zu genießen, falls ich wirklich bald zu Hause sein sollte. Ich hatte interessante Gespräche und lernte ein paar neu eingezogene Bewohner genauer kennen, Sie alle sind sehr nett. In letzter Zeit scheint irgendetwas in der Luft zu liegen, da einige Bewohner meinen Kolleginnen und mir „sexuelle Angebote“ machten. Ich fragte einen Bewohner, was wir heute Schönes machen möchten und er meinte nur: „Flirten und dann vögeln“. Oder ein anderer Bewohner fragte mich, ob es einen Mann in meinem Leben gebe, der ab und zu bei mir unter die Bettdecke kriecht, falls nicht, könnte ich gerne mal auf sein Zimmer kommen.

Beim ersten Mal war ich irgendwie vor dem Kopf gestoßen, jetzt hat man sich irgendwie schon daran gewöhnt. Es gibt nur eins, wie man in solchen Situationen richtig handelt: hierbei muss man einen deutlichen Unterschied zwischen der Gerontopsychiatrie und den anderen Stationen ziehen. Auf den anderen Stationen muss man eine klare Ansage machen, dass hier eine Grenze überschritten wird und es zu unterlassen. Auf der Gerontopsychiatrie reagiere ich mit Humor und sage dann so Sätze wie: „Wie, meinen Sie nicht, dass der Altersunterschied zu groß ist?“ und dann biete ich sofort ein Beschäftigungsangebot an, danach haben die Bewohner das vorher gesagte vergessen. Man muss aber deutlich sagen, dass es Einzelfälle sind, der Großteil der Senioren sind wahre Gentlemen der alten Schule, das bedeutet zuvorkommend, respektvoll, stets bemüht, hilfsbereit und immer freundlich. Sie wollen einem immer helfen, wenn man zum Beispiel viel trägt, drücken sie den Knopf, damit sich die Türen öffnen und für ihre Frauen kaufen manche Bewohner immer einen Blumenstrauß, selbst nach so vielen Jahren. Ich weiß noch genau, dass mir ein Bewohner mit einem wunderschönen Blumenstrauß und Schokolade entgegenkam. Ich fragte ihn, für wen er diesen wunderschönen Blumenstrauß denn besorgt hätte? Er entgegnete: für seine Frau! Denn auch nach so vielen Jahren sollte man seiner Frau zeigen, wie wichtig sie für einen sei!

Ich finde da könnten sich die jungen Männer von heute eine Scheibe abschneiden. Jede Frau freut sich über einen Blumenstrauß, ich mag zum Beispiel weiße Rosen und lilafarbene Orchideen. Obwohl ich glaube, dass meine Schwester sich mehr über Schokolade, als über Blumen freuen würde, es ist halt von Person zu Person unterschiedlich. Es muss nicht mal etwas kosten, eine schön geschriebene Karte oder ein Brief ist auch schön. Sich einfach gegenseitig kleine Aufmerksamkeiten machen, um zu zeigen: du bedeutest mir etwas bzw. du liegst mir am Herzen.

Ich hatte ihnen mitgeteilt, dass ich gerne darüber schreiben möchte, wie schlecht die momentane Besetzung in der Pflege ist, auch bekannt unter dem Wort „Pflegenotstand“. Das ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass die ganzen Pflegeberufe schlecht besetzt sind, alle wissen es, die Angestellten im Pflegebereich und auch die Politiker, es verändert sich nur nichts. Die Politiker diskutieren sehr gerne darüber besonders seit Corona, aber verändern tut sich seit Jahren nichts, warum sollte sich auch jetzt etwas verändern? Sobald Corona überstanden ist, wird dieses Thema wieder in den Hintergrund rücken, wie bereits in der Vergangenheit.

Vor kurzem bekam das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Heimen den sogenannten finanziellen „Coronabonus“, für die gute und schwer geleistete Arbeit in der Zeit von Corona. Dafür waren wir alle sehr dankbar, aber verstehen sie mich nicht falsch, es verändert gar nichts an der momentanen Situation. Meine Tante, die im Krankenhaus arbeitet, musste vor kurzem zwei Wochen durcharbeiten, ohne einen freien Tag, bei den mobilen Pflegediensten muss man sich extrem beeilen, dass man schnell beim nächsten Patienten ist (für jeden einzelnen Patienten gibt es eine bestimmte Zeit, in der alles erledigt werden muss, es gibt keine Möglichkeit sich wirklich auszutauschen, für manche Patienten ist es der einzige menschliche Kontakt den sie am Tag haben, wirklich eine schreckliche Situation für die Patienten). Sabine hat mir erzählt, dass Pfleger in anderen Heimen nach der Frühschicht wiederholt gefragt wurden, ob sie auch noch die Spätschicht und wenn es ganz schlecht gelaufen ist, auch noch die Nachtschicht übernehmen können. Solche Zustände herrschen bei uns im GDA nicht, bei uns könnte man da fast noch von Luxus sprechen, aber seit Corona kommt es auch mal vor, dass wir schlecht besetzt sind. (Dies kommt vor, da wenn wir kleinste Coronasymptome aufzeigen, wie zum Beispiel Husten, Halsschmerzen usw. angehalten werden zu Hause zu bleiben, um die Bewohner zu schützen). Meine Kollegen aus der Betreuung, der Küche und ich halfen wo wir nur konnten. Das ist das schöne bei uns, jeder hilft jedem. Ich denke nur, wenn es auf unbestimmte Zeit in den Krankenhäusern, bei den mobilen Pflegediensten und den Heimen so weitergeht, dann führt das zu Distress (negativem Stress), der auf Dauer krank macht. Aus diesen Gründen kündigen viele Pfleger*innen, dadurch verlieren wir gerade das gute Personal, das mit vollem Herzen dabei ist. Wir haben Gott sei Dank eine Chefin, die sich für uns einsetzt, Sie hat immer versucht an neue Pflegekräfte zu kommen und ist sogar des Öfteren selbst eingesprungen. Natürlich kommt man heutzutage sehr schlecht an Pflegekräfte, da es kaum Nachwuchs in diesem Beruf gibt. Wenn ich da an die Zukunft denke, sehe ich schrecklichen Zeiten entgegen, es wird immer mehr ältere Menschen geben, aber kaum jemanden, der den Beruf ausüben möchte. Die Politiker sehen die Lösung darin, Pflegekräfte aus dem Ausland zu holen. Ich finde es ist keine Lösung, wir nehmen Pflegekräfte aus dem Ausland und dann wird es in ein paar Jahren dort zu einem Pflegenotstand kommen. Die Pflegekräfte aus dem Ausland sprechen meistens nur gebrochen deutsch, was besonders die demenzerkrankten Senioren stressen kann.

Wenn sie die Pflegekraft nicht verstehen oder sich nicht unterhalten können, dann kann das bei ihnen zu Stress oder Angst führen, deswegen ist es keine Lösung.

Apropo Zeit zum Reden bei der Pflege, die ist nicht gegeben, man muss schnell die Pflege durchführen und dann zu den nächsten Senioren oder Patienten. Ich finde gerade bei der Pflege, die sehr intim und einem eventuell unangenehm ist, möchte man sich zur Ablenkung austauschen, (außerdem tauschen sich Senioren/Patienten sowieso gerne aus), dafür ist momentan aber so gut wie keine Zeit, das liegt an dem festgelegten Personalschlüssel von den Vertretern der Kassen und der Leistungsanbieter (zum Beispiel Caritas, Diakonie, AWO, DRK, usw.). Den finde ich nicht gut, ich frage mich, ob die Angestellten der Kassen und der Leistungsanbieter im Alter so gepflegt werden möchten, das kann ich mir nicht vorstellen, ich finde eine Pflegekraft kann nur für fünf bis sechs Personen zuständig sein.

Man müsste anders vorgehen, der Beruf muss besser angesehen werden, deswegen schlage ich mehr Werbung und Vergünstigungen vor. In der Werbung, die zum Beispiel im TV oder im Netz gezeigt wird, müssten die schönen Seiten des Berufs hervorgehoben werden, außerdem müsste das Gehalt erhöht werden und man sollte genau, wie es bei den Verbeamteten ist, früher in Rente gehen dürfen und das gleiche Gehalt weiter bekommen. Da man den Pflegeberuf definitiv nicht bis zur Rente ausüben kann, da die meisten starke Rückenprobleme durch den Beruf bekommen. Ich habe einen Kollegen, der nur ein paar Jahre älter ist als ich und er hat jetzt schon starke Rückenprobleme. Aus diesem Grund sollte für die Pflegekräfte in Heimen und Krankenhäusern mehr Hilfsmittel zur Unterstützung bereitstehen, zum Beispiel mehr Aufstehhilfen und Lifter. Zusätzlich sollten in Schulen Vorträge von Angestellten in Krankenhäusern und Heimen gehalten werden. Sie sollen den Schüler*innen den Beruf vorstellen, so kann schon bei Kindern und Jugendlichen das Interesse an diesem Beruf geweckt werden. Meine Kollegin hat neulich einen Vorschlag gemacht, den ich gut fand. Sie meinte, dass wie früher ein Zivildienst geleistet werden müsste in Heimen oder Krankenhäusern. Also dass man nach dem Schulabschluss verpflichtet ist, einen Zivildienst zu leisten, früher war es ja auch so. Durch diesen Dienst würden sich dann vielleicht einige entscheiden in diesem Beruf zu bleiben. Wer diesen Dienst aus gesundheitlichen Gründen oder einfach, weil er es nicht möchte, nicht in der Pflege leisten kann, ist die Betreuung eine Alternative. Ich glaube die männlichen Senioren würden sich über männlichen Zuwachs in der Betreuung freuen, da sie vielleicht auf ganz andere Betreuungsangebote kommen, ich denke, dass sich einige Seniorinnen auch über Männer freuen würden. Ich habe nach dem Abitur einen Freiwilligendienst im GDA geleistet und es hat nicht geschadet, im Gegenteil ich habe dadurch sehr profitiert und gelernt. Außerdem schadet es nicht, wenn die jungen Heranwachsenden der älteren Generation etwas zurückgibt und so Sachen lernen wie Rücksichtnahme, Anteilnahme, Verantwortung für andere als für sich selbst übernehmen, Hilfsbereitschaft und Empathie.

Ich denke, wenn diese Vorschläge alle umgesetzt werden würden, dann würden sich mit Sicherheit wieder mehr Menschen in Deutschland für diesen Bereich entscheiden!

Ich würde mir wünschen, dass meine Vorschläge von Politikern gelesen werden und Sie diese dann in die Tat umsetzen!

Vielleicht kann ich selbst ein bisschen dazu beitragen, dass sich einer oder mehrere von Ihnen, die meine Biografie lesen, sich für einen Pflegeberuf entscheiden. Sie haben schon viel von mir gelesen, warum ich mich für den Beruf entschieden habe und warum er mir so sehr gefällt. Damit Sie von anderen erfahren, warum sie sich für den Beruf entschieden haben, warum sie ihn gerne ausüben und was sich ihrer Meinung nach verändern müsste, damit sich mehr für den Beruf entscheiden, habe ich eine kleine Umfrage bei Angestellten im Pflegebereich gemacht.

Hier die Fragen und die Anworten auf meine Fragen:

Fragen:

1.) Warum hast du dich für einen Pflegeberuf entschieden?

2.) Was gefällt dir am besten an deinem Beruf?

3.) Was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit sich wieder mehr für einen Pflegeberuf entscheiden?

Antworten:

Betreuungskraft

1.Warum ich mich für einen Pflegeberuf (in der Betreuung) entschieden habe, weil ich sehr gerne kranken, bedürftigen Menschen helfen möchte, ich mag auch sehr gerne alte Leute und verbringe gerne Zeit mit ihnen und das gibt mir ein gutes und sicheres Gefühl, so dass ich nach der Arbeit mit gutem Gewissen nach Hause gehen kann.

2. Was mir am besten gefällt an meinem Beruf, ist die Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal und den Bewohnern.

3. Was sich meiner Meinung nach verändern sollte:

Es sollte mehr Personal eingestellt werden, damit die Kollegen entlastet werden und sie ihrem Beruf wieder gerne nachgehen und nicht mehr so viel Stress bei der Arbeit ist, damit wir Betreuungskräfte unsere Bewohner besser betreuen können und nicht ständig für die anderen arbeiten müssen!

Hauswirtschaft

(nicht dass sie denken, sie hätte doch gar nichts mit der Pflege oder den Bewohnern zu tun, das ist nicht richtig! Sie bereitet den Bewohnern das Essen zu, hilft ihnen zum Platz im Speisesaal, führt Gespräche mit den Bewohnern, ist also ein wichtiger Ansprechpartner bzw. eine wichtige Kontaktperson für die Bewohner und sie bekommt den Alltag in der Pflege mit und dadurch natürlich auch das, was sich verändern müsste)

1. Tatsächlich bin ich zufällig in diesen Bereich gerutscht, ich habe nach der Elternzeit einen Beruf mit wenigen Stunden gesucht, ich komme Ursprünglich aus der Gastronomie, aber das lässt sich nicht vereinbaren mit kleinen Kindern.

2. Ehrlich gesagt sind es die meisten Mitarbeiter über die ich mich freue, irgendwie ist es auch familiär über die Jahre geworden, die ich da bin, man wächst zusammen, auch die Bewohner gehören dazu, weil man fast täglich mit den selben Menschen zusammen ist, gewöhnt man sich schnell auch an die Macken, wie zu Hause in der Familie halt.

3. Ändern müsste sich vieles in diesem Bereich:

  • bessere, familienfreundliche Arbeitszeiten
  • Möglichst nicht jedes Wochenende arbeiten sondern nur ein Wochenende im Monat, natürlich nur möglich durch viel mehr Personal.
  • Bessere Bezahlung.
  • Besserer Pflegeschlüssel, um auch einfach mehr Zeit für den Menschen zu haben und nicht nur Akkord: in 6 Minuten muss der Bewohner von Kopf bis Fuß fix und fertig sein, dass ist für mich keine Pflege.
  • Mehr Individualität des einzelnen Bewohners ermöglichen
  • Mehr Lebensqualität durch bessere Pflegezustände erreichen
  • Ich glaube die Liste wäre endlos.

Gelernte Pflegerin, ist jetzt in der Betreuung aus gesundheitlichen Gründen

1. Ich habe mich lange um eine Freundin gekümmert, die durch ihre Erkrankung pflegebedürftig geworden ist, dabei habe ich gemerkt, dass es mir richtig gut gefallen hat anderen zu helfen.

2. Am schönsten ist das Gefühl jemandem Freude zu schenken, aber auch die Dankbarkeit der Bewohner.


3.Es fehlt an Menschlichkeit, nicht vom Personal, sondern durch die Zeit, weil alles unter Zeitmangel gemacht werden muss, fehlt das miteinander. Menschen werden nicht mehr als solche gesehen, sondern nur noch als Objekt zum Geldverdienen. Die Arbeit des Personals wird nicht mehr anerkannt, weder finanziell noch persönlich, es gibt keinen Ausgleich mehr, nur noch Stress. Auch die Arbeit der Pflegehelfer ist kaum angesehen, zu viel Arbeit und es wird immer mehr.

Ich hoffe, dass sich einige von Ihnen für einen Pflegeberuf entscheiden oder es Ihren Bekannten, Freunden usw. empfehlen bzw. ans Herz legen damit wir die hier negativen genannten Punkte aus der Welt schaffen können!

Ein Tag später am Morgen, des 19.10.20 merkte ich wieder eine Veränderung bei meinem Körper, ich hatte Muskelzuckungen im rechten Oberschenkel und ich konnte meinen rechten Arm kaum anheben. Es ist nicht so, dass ich meinen Arm gar nicht benutzen konnte, die Einschränkung war nur von der Schulter bis zum Ellenbogen und manchmal ausstrahlend in die Finger. Es fiel mir alles etwas schwerer, Tische abräumen und wischen, meine Eintragungen am PC, Zähne putzen, meine Wimpern tuschen und sogar essen, also alles wo ich den Arm anheben muss. Ich machte mir Sorgen, dass sich jetzt noch mehr verschlechtert hat. Ich rief sofort meine Physiotherapeutin an, sie konnte es sich auch nicht erklären. (An unserem Termin drei Tage später stellte sie fest, dass es sehr wahrscheinlich wieder Auswirkungen von der Nackenmuskulatur wären).

Am Abend bekam ich eine E-Mail von meinem Neurologen der Härtefallantrag war genehmigt, jetzt mussten nur noch Verträge zwischen der Klinik und Roche geschlossen werden. Ich war so erleichtert und glücklich, jetzt können meine körperlichen Probleme vielleicht bald der Vergangenheit angehören!

In der Zeit, als die Verträge zwischen der Klinik und Roche geschlossen wurden, stiegen die Corona-Zahlen extrem an. Meine Hausärztin sagte zu meinem Papa, dass Sie mir sehr gerne wieder ein Beschäftigungsverbot ausstellen möchte, da die Zahlen sehr hoch waren, auch in der Umgebung. Sie meinte momentan sei es für mich zu gefährlich, da bei uns an der Arbeit noch Besucher aus den verschiedensten Bundesländern kommen dürfen und ich dort viele Kontakte habe, mit vielen Bewohnern und meinen Kollegen (aus der Betreuung, Küche, Pflege, Physiotherapie und der Reinigung).

Ich finde hier wurde von der Regierung nicht genügend getan um die Risikopatienten zu schützen, es wird zwar immer wieder viel darüber diskutiert, aber getan wurde kaum etwas. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich für mehr Sicherheit in den Heimen und Krankenhäusern sorgen.

Es sollte für das ganze Personal FFP2 Masken zur Verfügung gestellt werden, um das Personal zu schützen und dadurch wiederum die Bewohner und Patienten, außerdem sollten TÄGLICH beim Personal und den Besuchern ein Corona Schnelltest durchgeführt werden. (Warum täglich? Da man heute negativ sein kann, morgen aber schon positiv). Natürlich sind die Schnelltests nicht hundert Prozent sicher, aber es ist auf jeden Fall sicherer als die momentane Situation. Ich finde jetzt nach dieser langen Zeit, sollten wir in der Lage sein, genügend Tests und Masken zu produzieren. Bei uns könnten die Schnelltests von der Arztpraxis, die bei uns im Haus ist, durchgeführt werden oder von eingewiesen examinierten Pflegekräften. Ich habe über eine Region (Tübingen) gelesen, die tatsächlich in den Altenheimen so ähnlich verfährt, wie ich vorgeschlagen habe und tatsächlich ist seitdem keiner mehr infiziert worden. Trotzdem wurde hier auch noch nicht an die Risikopatienten die zu Hause leben gedacht, die müssen auch besonders geschützt werden. Den Risikopatienten zu Hause sollten FFP2 Masken für sich, ihre Angehörigen und den ambulanten Pflegekräften zur Verfügung gestellt werden, um sie zu schützen. Wenn es möglich ist, sollten für die Kontaktpersonen, die mit den Risikopatienten zusammen leben, Homeoffice und Homeschooling erlaubt werden. Für die, denen es nicht möglich ist Homeoffice zu machen, da gibt es schließlich einige (zum Beispiel Verkäufer/in, Bauarbeiter/in, Pfleger/in usw.) für die sollte es ermöglicht werden, sich regelmäßig testen zu lassen, um so den Schutz mit ihren zusammenlebenden Risikopatienten sicherzustellen. Für die Risikopatienten selbst, die z.B. einer Bürotätigkeit nachgehen, sollte es ermöglicht werden Homeoffice zu machen oder sie sollten einen Raum bekommen, in dem sie alleine arbeiten, dadurch hätten sie keinen Kontakt mit anderen Personen. In den Berufen, wo kein Homeoffice möglich ist, wie zum Beispiel bei meinem, da sollten Handschuhe, FFP2 Masken und ein Visier zur Verfügung gestellt werden, wenn das nicht ausreicht, bleibt leider nichts anderes möglich als ein Beschäftigungsverbot auszustellen. Meine Vorschläge sind mir nicht, wie den Politikern Ende November/Anfang Dezember eingefallen, sondern schon zum Beginn der Pandemie. Ich habe mir sofort zu Beginn der Pandemie FFP2 Masken angeschafft, um mich, meine Bewohner und meine Angehörigen zu schützen, besonders zu Beginn der Pandemie waren die Masken sehr teuer! Deswegen sollte jeder der besonderes gefährdet ist unbedingt eine FFP2 Maske erhalten, aus dem Grund bin ich wirklich geschockt, dass die Politiker erst jetzt auf den Einfall gekommen sind! Mittlerweile werden den Risikopatienten kostenlos oder mit geringer Zuzahlung FFP2 Masken zur Verfügung gestellt, aber auch da wurden wieder große Fehler gemacht, da einige Risikogruppen nicht mit einbezogen wurden.

Ich habe Mitte Januar bei der Krankenkasse angerufen und nach dem Berechtigungsschein für meinen Papa und mich gefragt. Mein Papa bekommt den Berechtigungsschein, aufgrund seiner Vorerkrankung, zu der Asthma gehört. Ich bekomme keine, ich zähle nicht zu ihren Risikogruppen. Mir wurde dann empfohlen bei der Bundesgesundheitsbehörde anzurufen.

Das tat ich auch, dort zählte mir die Dame alle Gruppen auf, die ihrer Meinung nach dazu gehören. Ich begann mit der Dame zu diskutieren und erklärte ihr, dass bei SMA die Lungenleistung betroffen ist, sogar um einiges schlimmer als bei Asthmaerkrankten und ich es deshalb absolut nicht nachvollziehen kann, wie man so eine Einordnung machen kann. Die Dame entgegnete Sie hätte nur ihre Vorgaben, die Sie umzusetzen habe.

Also bekommen alle SMA Patienten keine FFP2 Masken und ich möchte gar nicht wissen, wie viele andere Erkrankungen oder beeinträchtigte Menschen noch vergessen wurden, eine Frechheit, die mich und mit Sicherheit auch andere sauer machen wird! Ich denke hier müssen sich die Politiker, Virologen und Ärzte nochmal ernsthaft zusammensetzen und an einer sicheren Lösung arbeiten, sowohl für die Risikopatienten als auch für die, die sich um sie kümmern und die Einordnung zum Berechtigungsschein müssen nochmal hinterfragt werden!

Ab 01.11.20 bekam ich wieder ein Beschäftigungsverbot bis Ende des Jahres ausgestellt, Mitte Dezember wollten wir wieder telefonieren und schauen, wie die Lage dann aussieht. Wie sie sich denken können, war ich darüber überhaupt nicht erfreut. Ich fand es nicht nur für mich schlimm, sondern auch weil von mir zwei Personen beruflich abhängig sind, Sabine und Kirke. Sabine konnte dieses Mal nicht in Kurzarbeit geschickt werden, weil dies nur möglich ist, wenn 10% der Angestellten in Kurzarbeit gehen. Jetzt ist es dieses Mal aber so, dass die Schulen geöffnet haben und die Schulassistenz weiter stattfinden, so dass Sabine die Einzige ist, die in Kurzarbeit gehen würde. Der Anbieter suchte für die Zeit in der ich ein Beschäftigungsverbot habe, eine andere Person, der Sabine assistieren kann. Für Kirke war es nicht ganz so schlimm, da sie noch einer anderen Person assistiert und sie sich bald aus der Assistenz komplett rausziehen wollte. Ich fand es natürlich schade, dass Kirke dann nicht mehr Freitags bei mir an der Arbeit ist. Natürlich war mir klar, dass sich deswegen nichts an unserer Freundschaft verändern wird, wir werden immer weiter in Kontakt bleiben, genauso wie es nach der IGS war. Außerdem habe ich Angst, dass sich dadurch wieder viele Arbeitgeber bestätigt fühlen keine Menschen mit einer Beeinträchtigung einzustellen.

Viele Arbeitgeber wollen nämlich keinen Menschen mit einer Beeinträchtigung einstellen, weil sie denken, dass sie dann für eine Arbeitskraft bezahlen die nur krank ist. Ich kann dazu ganz eindeutig sagen, dass ich ohne Corona nicht gefehlt hätte! Ich fehle nämlich fast nie, ich habe in den 3 Jahren, in den ich arbeite nur einmal für drei Wochen gefehlt, weil ich die Grippe hatte, sonst gehe ich sogar mit größten Schmerzen zur Arbeit, ich erinnere nur an meine Nackenprobleme. Ich hoffe, dass dies einige Arbeitgeber lesen und sehen, dass es sich doch lohnen würde, jemanden mit einer Beeinträchtigung einzustellen.

Sonst hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Kollegen, da ich wusste wie sehr ich momentan gebraucht werde.

Für mich war es schlimm zu Hause zu sein, weil ich isoliert war. Es war mir nicht wichtig in die Stadt zu gehen, um zu shoppen, zu Speisen, etwas zu trinken oder ins Kino, Theater oder ähnliches zu gehen. Nein überhaupt nicht, darauf kann ich locker verzichten! Mir fehlte der menschliche Kontakt, zu meinen Kollegen und den Bewohnern, komischer Weise vermisste ich den Bewohner am meisten, der immer andere und mich neckte. Am meisten vermisste ich Lisa und unsere Mädelsabende, wir hatten uns das letzte Mal gesehen, als wir die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke ausgetauscht hatten. Ich bin so dankbar für die technischen Geräte und Apps von heute, so waren wir immer füreinander da, auch wenn wir uns nicht persönlich sahen. Wir schrieben jeden Tag und telefonieren hin und wieder. Es gab keinen außer ihr, die mich täglich fragte, wie es mir geht und was ich tue, weil sie sich dafür wirklich interessierte. Als ich noch arbeiten war, kam ich nach meiner Schicht nach Hause und vor der Tür lag ein kleines Paket mit meinem Namen, aber ohne Absender. Ich wusste sofort, dass es von Lisa ist, da ich ihre Schrift sofort erkannt habe. Das war wirklich eine sehr schöne und sichere Überraschung zu dieser Zeit, in dem Paket war nicht nur was für mich, sondern auch für meine Schwester. Sie ist wirklich die beste Freundin, sie denkt an meine Familie und mich. Ach, das habe ich ihnen noch gar nicht mitgeteilt, Lisa hat jetzt einen Studienplatz für Zahnmedizin in bekommen, dies war schon immer ihr absolutes Traumstudium. Zuerst hatte sie allerdings eine Zusage für das Sonderpädagogikstudium bekommen und später für Zahnmedizin. Zu diesem Zeitpunkt war Lisa sich schon sicher das Sonderpädagogikstudium anzunehmen, dann bekam sie Zweifel, da Zahnmedizin immer ihr Traum war. Sie fragte mich, wie ich mich entscheiden würde. Ich schrieb ihr: „Stell dir vor, wir wären zwanzig Jahre in der Zukunft, könntest du dir dann vorstellen, dass du zu dir sagst, ach hätte ich mich damals doch für Zahnmedizin entschieden? Wenn du denkst, dass du das sagen könntest, dann würde ich es wagen.“ Ich bin wirklich stolz auf sie und ich bin mir sicher, dass Lisa eine super Zahnärztin wird. Sonst bin ich in dieser Zeit besonders dankbar, dass meine ganze Familie, heißt meine Eltern und meine Schwester, in einem Haus leben, so ist man nie einsam und hat immer jemanden zum Unterhalten. Dennoch belastete es mich, da meine Familie sich meinetwegen extrem einschränken und auf jeglichen Kontakt verzichtete musste. Ich sah und wusste, wie schrecklich es für sie ist und das belastete mein Gewissen sehr!

Die Zeit während des Beschäftigungsverbot nutze ich für viel Sport, aufräumen, obwohl es eigentlich immer ordentlich ist, genoss die Zeit mit meiner Familie, besonders das Verhältnis zu meiner Schwester wurde dadurch wieder enger, was mir unendlich wichtig ist. Sie ist für mich, wie meine Eltern und Lisa, wirklich ein ganz besonderer Mensch, mit dem ich gerne Zeit verbringe. Außerdem begann ich das Kapitel zu schreiben.

Ehrlich gesagt wollte ich gar nicht mehr schreiben, weil ich die Lust verlor, dies ist irgendwie nicht die richtige Ausdrucksweise. Ich weiß noch, wie nervös ich vor der ersten Veröffentlichung war, ich hatte Angst und es brauchte viel Mut sich vor allen zu offenbaren und ich habe Angst, dass es für mich irgendwann zur Normalität wird, was ich nicht will. Es soll wie immer mein Herz daran hängen und mir etwas bedeuten. Dann passierte viel wegen des Härtefallverfahren, wo ich dachte, dass dies bestimmt für andere SMA-Erkrankte interessant wäre. Also über das Verfahren mehr zu erfahren und welche Auswirkungen das Medikament auf unsere Erkrankung haben kann und das alles ganz ehrlich und offen berichtet. Auch die momentane Situation in der Pflege beschäftigte mich sehr, ich dachte, wenn ich darüber schreibe, dass sich vielleicht einige, oder wenn es auch nur eine Person wäre, für den Pflegeberuf begeistern kann. Darüber hinaus macht es viel Arbeit, ich schreibe das Kapitel, dann kontrolliert Lisa die Rechtschreibung, ich lese es erneut durch, dann markiere ich die Stelle, wo ich meine Freunde, Kollegen, Arbeitgeber usw. erwähnt habe, warte auf ihr Einverständnis. Sobald ich das Einverständnis habe, schicke ich das Kapitel sodass es, mit besonderem Augenmerk auf rechtliche Angelegenheiten, überarbeitet und eingepflegt werden kann. Dann lese ich noch ein letztes Mal das Kapitel und danach geht es ins Netz. Jetzt durch das Beschäftigungsverbot habe ich viel Zeit, deswegen schreibe ich doch weiter.

Mein Ziel war es durch die Veröffentlichung der Biografie anderen einen Einblick in das Leben mit SMA zu geben und dadurch zu zeigen, dass man auch mit dieser Erkrankung ein glückliches Leben führen kann. Ich will Eltern eines Kindes mit SMA die Angst nehmen und ich erhoffe mir, dass sich dadurch vielleicht einige Sichtweisen auf beeinträchtigte Menschen ändert und dass ich vielleicht etwas verändern kann.

Am 20.12.20 erreichte ich mein Ziel, da schrieb mir eine Mutter eines SMA erkrankten Jungen einen Kommentar unter meiner Biografie. In dem Kommentar schrieb Sie, dass ich Ihr durch meine Biografie gezeigt habe, dass Ihr Sohn auch mit der Erkrankung ein glückliches Leben führen kann, denn ihre Angst war, dass es vielleicht nicht so sein könnte. Dieser Kommentar bedeutet mir unendlich viel, ich konnte durch die Veröffentlichung etwas bewirken, mehr wollte ich nie!

Am 01.12.2020 vereinbarten wir einen Termin in der Uni, um Untersuchungen durchzuführen. Geplant waren eine Blutabnahme, ausführliche neurologische und physiotherapeutische Untersuchungen, ggf. elektrophysiologische Untersuchung und anschließend sollte ich das Medikament bekommen. Natürlich war es nicht gerade gut, bei diesen hohen Corona-Zahlen ins Krankenhaus zu müssen, aber ich werde eine FFP2-Maske tragen und versuchen, immer wenn es möglich ist, den Mindestabstand einzuhalten. Ein paar Tage vor dem Termin bekam ich viele Informationsblätter zugeschickt, die ich gründlich lesen sollte.

In den Informationsblättern stand alles zu Risdiplam, wie ich es einzunehmen habe, die Nebenwirkungen, wo ich dann erfuhr, dass während des ersten und zweiten Teils der Studie einige Patienten verstarben, aber nicht an dem Medikament, sondern an Komplikationen ihres SMA Typ 1. Außerdem stand da, dass man in der Zeit, in der man Risdiplam einnimmt, nicht schwanger werden sollte. Wenn man eine Schwangerschaft wünscht, sollte das mit dem Arzt vorher abgesprochen werden und das Medikament sollte abgesetzt werden. Ich denke zukünftig könnte das für meinen zukünftigen Partner und mich, aber noch mehr für mich (meine Gesundheit bzw. meinen Körper), eine schwierige Entscheidung sein. Also für eine Schwangerschaft, dafür aber eventuell riskieren, dass es zu einer Verschlechterung der Erkrankung kommt. Da beneide ich die gesunden Frauen, ich denke aber ich wüsste wofür ich mich entscheide.

Außerdem sollte ich zu diesem Termin eine Kühltasche mitnehmen, da das Medikament kühl gehalten werden soll.

Endlich war der 11.12.2020 gekommen und damit der Tag, an dem ich ENDLICH nach diesem ganzen hin und her und der langen Wartezeit Risdiplam bekommen sollte. Ich war so froh es endlich zu bekommen! An diesem Termin wurde ich noch einmal ausführlich über Risdiplam aufgeklärt. Anschließend wurden neurologische Untersuchungen gemacht, dort musste ich zum Beispiel zeigen, wie stark ich die Hand vom Arzt drücken kann oder die Finger verhaken und ziehen, so stark ich kann die Arme anziehen und wegdrücken, die Füße nach oben und unten drücken. Dann kam ein Physiotherapeut dazu (er ist freundlich, nett, engagiert, kompetent und klärt einen über alles genau auf, was für mich sehr interessant ist, da ich mich für alles sehr interessiere), der jetzt das Medizinstudium begonnen hat, er hat eine Studie begonnen, wo die Nerven im Auge kontrolliert werden, um zu schauen, ob die Nerven durch SMA geschädigt werden. Die Studie nennt sich: “Konfokale Mikroskopie am Auge zur Detektion von Schäden an den Nervenfasern in der Cornea bei Neuropathien”. Da man sonst nirgendwo von außen auf die Nerven schauen kann, kontrolliert man das Auge, da man durch das Auge die Nerven sehen kann.

Um das zu können, bekommt man drei Tropfen in das rechte Auge, diese Tropfen betäuben das Auge, dann muss man vor ein Konfokalmikroskop (dies ist ein Mikroskop mit einem Laser), dass ans Auge geschoben wird, dann soll man das Auge weit öffnen. Einige Meter weiter, wird ein Laptop mit einem gelben Punkt aufgestellt, den man sich anschauen soll. Erst ist der Punkt in der Mitte, dann rechts, links, unten und oben, so kann man aus vielen Perspektiven die Nerven des Auges betrachten.

Mehr wird nicht gemacht, es ist gar nicht unangenehm, auch wenn es sich erst befremdlich anhört, da das Gerät genau auf das Auge kommt. Die gesamte Untersuchung dauert circa eine halbe Stunde. (Kleiner Hinweis für uns Frauen, besser vorher keine Mascara usw. auftragen, da es durch die Tropfen verläuft, es sei denn Sie benutzen wasserfeste Schminke, dann ist es kein Problem). Die selbe Untersuchung findet bei einer gesunden Frau in meinem Alter statt, dann werden ihre Untersuchungsergebnisse und meine verglichen. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis der Studie. So bin ich also zufällig in eine neue Studie gekommen, ich musste nur noch eine Einwilligung zur Teilnahme an der Studie unterschreiben und mein Auge wurde untersucht. Anschließend fanden die physiotherapeutischen Tests statt. Erst wurde der Oberkörper getestet, ich glaube bei diesem Test schnitt ich ganz gut ab. Es wurden dort Dinge geprüft, wie zum Beispiel, ob ich meine Hände vom Schoß auf den Tisch legen kann, ob ich eine Zeichnung mit der rechten und linken Hand nachzeichnen kann, ob ich eine Münze vom Tisch hochheben kann und in eine Dose legen kann, ein Becher mit 200g zum Mund führen, eine Taschenlampe andrücken, eine Dose öffnen. Dann wurde auf den Tisch eine dünne Matte mit fünf Kreisen ausgerollt, diese Kreise musste ich mit einem Gewicht von 200g und 500g berühren. Danach musste ich ein Gewicht von einem Kilo anheben, dies schaffte ich, aber mein Arm dabei noch aufrecht nach vorne halten, schaffte ich nicht. Dann war der Unterkörper dran, dort konnte ich nicht viele Punkte holen, da die ganzen Aufgaben mit Stehen und Treppe steigen wegfielen, ich sollte aber zeigen, ob ich mit Unterstützung von meinem Papa stehen kann, dies ging. Dann sollte ich in den Vierfüßlerstand und vom Liegen zum Sitzen das ging nicht, aber ich kam von der Rückenlage von der linken und der rechten Seite in die Bauchlage und von der Bauchlage kam ich über die rechte Seite sogar in die Rückenlage. Wegen der Übungen, die ich nicht durchgeführt konnte, fühlte ich mich nicht gut, es ist frustrierend, man kommt sie dabei so schlecht vor, wie ein Versager, wenn man sagen muss: “Das kann ich nicht und das auch nicht“, dies ist, sagen wir es ganz offen, ein Scheißgefühl, aber ich kann es nicht ändern. Ich habe mir dann selbst gesagt, der Test ist für alle SMA Typen ausgelegt und die, die Typ drei haben, können die Übungen bestimmt noch komplett oder teilweise durchführen. Trotzdem fühlt es sich nicht toll an, wenn man etwas nicht kann.

(Bei den nächsten Terminen erklärte ich mich bereit, die physiotherapeutischen Tests filmen zu lassen, um die eventuellen Fortschritte festzuhalten, bin froh so meinen Beitrag zu leisten).

Danach wurde der elektrophysiologische Test gemacht, der wird durchgeführt um zu schauen, ob die Nerven noch Reize empfangen und weiterleiten. Ich bekam an die Hände, an die Beine und dann an den Bizeps Elektroden befestigt, dadurch kamen kleine oder größere Stromschläge, dies ist nicht so angenehm aber auf jeden Fall auszuhalten.

Nach dem der Strom kam, musste ich in diesen Bereichen, also in den Händen, Beinen und am Bizeps von wenig bis so viel Kraft aufwenden, wie ich kann. Der Test fiel ganz gut aus, meine Nerven leiten noch, in manchen Bereichen sogar noch mehr als gedacht.

Danach kam noch ein Lungenfunktionstest, der im Gegensatz zum damaligen Test in Essen, schlecht ausfiel. In Essen erreichte ich damals 35% jetzt nur noch 20%, ich merke aber persönlich keine Verschlechterung, durch den Hustenassistent würde ich sogar sagen habe ich mehr Kraft zum Husten. Vielleicht war der Test auch schlechter, weil ich bereits eine lange Zeit die Maske getragen habe, wie auch immer, deswegen sollte ich auf jeden Fall nicht an Corona erkranken und Erkältung und Grippe vermeiden. Zum Schluss folgte noch eine Blutabnahme, das ist für mich immer der unangenehmste Teil, da ich kein Blut sehen kann und deswegen des Öfteren umgekippt bin, aber dieses Mal nicht, dafür war der Arm blau, da die Nadel immer verrutscht war. Endlich hatte ich alle Untersuchungen überstanden. Außerdem sprachen wir bei dem Termin noch von den Symptomen die ich hatte, also Nackenprobleme, Zuckungen im Kopfbereich, Einschränkungen des rechten Arms und Zittern im rechten Oberschenkel, aus diesem Grund fragte ich, ob es gut wäre zusätzlich Vitamin D und Magnesium einzunehmen. Mein Neurologe empfahl mir täglich Vitamin D einzunehmen und Magnesium bei Bedarf, also wenn ich Zuckungen habe. Komischerweise, seitdem ich wegen des Beschäftigungsverbots nicht arbeiten darf, ist mein rechter Arm wieder voll einsatzfähig, die Zuckungen in Oberschenkel sind verschwunden und meine Zuckungen im Kopfbereich und die Nackenprobleme sind deutlich besser geworden. Mein Neurologe sagte meine ganzen starken Symptome kommen nicht von einer Verschlechterung der Erkrankung, sondern von einer täglichen Tätigkeit bei der Arbeit und dass ich auf die Signale meines Körpers hören und mich etwas zurücknehmen sollte. Aber ich hasse es mich zu schonen oder wegen der Erkrankung Rücksicht zu nehmen, ich sage immer was ich kann mache ich und das wird sich wahrscheinlich nie ändern. Anschließend sprachen wir, wie viel ich von dem Medikament einzunehmen habe: ich muss es jeden Abend um dieselbe Uhrzeit 6,6ml einnehmen. Mein Neurologe erklärte mir auch, warum sich nach der Genehmigung des Härtefallantrags alles noch so lange hingezogen hat. Es hatte sich alles verzögert, weil zwischen der Uniklinik und Roche ein Vertrag geschlossen werden musste, dies war wohl alles sehr zeitaufwendig, da jemand von den obersten Klinikchefs unterschreiben musste.

Mein Neurologe sagte dank meiner Hartnäckigkeit bezüglich des Medikaments, habe ich anderen SMA Patienten Gutes getan, wenn sie für das Härtefallprogramm in Frage kommen, braucht es jetzt bis zur Genehmigung und bis sie das Medikament bekommen nur einige Tage. Da hat meine Hartnäckigkeit mal gute Auswirkungen gehabt!

Diese Untersuchungen/Tests müssen jetzt alle zwei Monate durchgeführt werden, um zu sehen, ob Risdiplam eine Wirkung zeigt.

Mein Neurologe sagte eine Wirkung ist vielleicht nach einem halben Jahr zu sehen, es könnte aber auch sein, dass es keine Wirkung zeigt, davon gehen wir aber erst einmal nicht aus. Bei diesen Terminen alle zwei Monate nehme ich dann auch an der Studie teil, die Termine werden immer zusammengelegt, damit ich nicht extra zwei Mal ins Krankenhaus muss. Oh Gott, ich alle zwei Monate ins Krankenhaus, wo ich wirklich kein Fan davon bin, da kann mal sehen, wie wichtig es für mich ist.

Nach dem Termin fuhren mein Papa und ich umgehend nach Hause. Dort angekommen stellten wir Risdiplam sofort in den Kühlschrank und da man die Flaschen bzw. Risdiplam vor Lichtstrahlen schützen soll, stellte ich einen Kasten aus Stoff darüber, man kann es aber auch zum Schutz in Alufolie einwickeln, so ist Risdiplam vor dem Licht des Kühlschranks geschützt. Am Abend nahm ich das Medikament zum ersten Mal ein, ein besonderer Moment für meine Familie und mich. Das Medikament schmeckt gut, ein bisschen wie ein Antibiotikum, das ich als Kind des Öfteren genommen hatte, ich würde fast sagen wie süße Früchte (Erdbeere), also überhaupt nicht schlimm.

Risdiplam wird mit einer Spritze eingenommen. Man drückt die Spritze auf den Aufsatz der Flasche, dreht die Flasche auf den Kopf, zieht die Spritze auf die einzunehmende Menge auf, dann sollte man darauf achten, dass in der Spritze keine Luftblasen sind, danach dreht man die Flasche zurück und zieht die Spritze ab. Das Medikament wird oral eingenommen, ich spritze es mir immer langsam in die Wange und trinke etwas Wasser danach. Dann wird die Spritze mit Wasser gesäubert und anschließend lässt man sie trocknen oder trocknet sie ab. Wenn man die Einnahme von Risdiplam, um die eigentliche Einnahmezeit vergessen sollte, dann kann es maximal bis zu sechs Stunden später nachgeholt werden, sonst wird empfohlen die Einnahme ausfallen zu lassen. Ich bin gespannt, ob und wann ich eine Veränderung merken werde.

So sieht Risdiplam übrigens aus:

(Risdiplam bzw. Evrysdi®)

Nach einer Woche merkte ich eine Veränderung, ich konnte meinen Kopf besser halten und irgendwie konnte ich besser sitzen. Es war von außen sofort zu sehen, meine Schultern waren fast auf der selben Höhe, das war schon seit der fünften Klasse nicht mehr so. Ich konnte meinen Kopf gerade halten und ich konnte die Nase in die Luft strecken, wie man es einigen Menschen nachsagt. Schon ein komisches Gefühl für mich und nicht meine Art, aber ich kann es jetzt. Und ich bekomme eine widerspenstige Tür bei uns zu Hause zu, vorher klappte es nur selten, ich kann auch die Bremsen von meinem Duschrollstuhl lösen, dies fiel mir vorher schwer und ich fühle mich beim Stehen ein bisschen sicherer, dies kann aber auch daran liegen, da ich mir jetzt sage „Ich kann stehen, ich bekomme das Medikament“, deswegen ist die Angst etwas weniger. Zur Sicherheit habe ich mir flache Schuhe (Turnschuhe) gekauft, vielleicht kann ich sie bald benutzen.

Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber man kann ja hoffen und wünschen. Da fällt mir ein, dass ich seit der neunten Klasse keine flachen Schuhe mehr getragen habe, Absatzschuhe machen mich selbstbewusster, ich glaube das geht einigen Frauen so und dies ist mal ein Vorteil, den man als Rollstuhlfahrerin hat, ich muss nicht auf ihnen laufen.

Nach drei Wochen bekam ich meinen rechten Arm im Liegen in die Luft gesteckt, dies konnte ich noch nie, links klappt es leider nicht, aber wer weiß, vielleicht klappt es bald.

Nach sieben Wochen merkte ich durch einen Zufall, dass das typische Handzittern bei SMA deutlich reduziert ist. Einfach unglaublich, ich bin sehr gespannt auf die weiteren Veränderungen. Nebenwirkungen durch Risdiplam habe ich bis zum heutigen Zeitpunkt nicht bekommen. Außerdem bin ich gespannt, ob sich bei den Tests auch eine Veränderung zeigen wird, aber auch wenn nicht, ist es nicht schlimm, ich merke im Alltag eine Verbesserung und ich finde das ist es, worauf es ankommt. Ich hoffe wirklich, dass Risdiplam in Europa endlich die Zulassung bekommt, so dass jeder SMA-Erkrankte darauf Zugriff haben kann.

Mitte Dezember rief mich meine Hausärztin an, sie teilte mir mit, dass sie mein Beschäftigungsverbot bis Ende Februar verlängern wird, da sich an der Gesamtsituation nicht viel verändert hat. Sie sagte, wenn ich Anfang Januar die Impfung bekommen würde, dann könnte ich Mitte Februar wieder arbeiten, sonst nicht.

Letztes Jahr zu dieser Zeit habe ich angefangen mit meinen Bewohnern Weihnachtsdeko zu basteln, Weihnachtslieder für Heiligabend einstudiert und Weihnachtsplätzchen gebacken. Das Backen hat am meisten Spaß gemacht, wir haben alle gemeinsam den Teig gemacht, ihn ausgerollt und mit Förmchen ausgestochen oder per Hand geformt. Im ganzen Raum und auf dem Flur verbreitet sich ein himmlischer Duft und die Weihnachtsmusik war im Hintergrund zu hören, es war einfach eine ganz besinnliche Stimmung. Einen Tag später, verzierte ich mit einem Bewohner und einer Bewohnerin die Kekse, es war ein großer Spaß, nur bei der Bewohnerin wanderten mehr Kekse in ihren Mund, als in die Keksdose aber ich finde auch das gehört dazu. Jetzt bin ich zu Hause, die Geschenke für meine Lieben habe ich bestellt, verpackt und mit kleinen Karten mit lieben Worten gestaltet. Bald werde ich auch ein paar Kekse backen, aber mir fehlt das Backen in großer Runde. Für mich und auch für meine verstorben Oma ist die Weihnachtszeit die schönste im ganzen Jahr, alles erstrahlt in hellen bunten Lichtern, was eine besinnliche, beruhigende und behütete Stimmung erzeugt. Alle Menschen versuchen freundlich und hilfsbereit zu sein und einige versuchen in dieser Zeit etwas zurückzugeben bzw. etwas Gutes zu tun. Schade, dass es nicht das ganze Jahr so ist! Und die ganze Familie kommt zusammen, es werden Gespräche geführt, Erinnerungen ausgetauscht, gemeinsam Leckereien gegessen und dann bereitet man sich gegenseitig eine Freude.

Ich finde es gibt nichts schöneres, als wenn die ganze Familie zusammenkommt und Freude und Liebe in der Luft liegt. Natürlich ist es noch schöner, wenn Schnee liegt, die ganzen Pflanzen schön ummantelt und geschützt vom Schnee, dann das wunderschöne glitzern und glänzen des Schnees- einfach atemberaubend. Praktisch magisch!

Dieses Jahr durch Corona wird sicher alles etwas anders verlaufen, ich habe in kleiner Runde Weihnachten gefeiert, mit meinen Eltern, meiner Schwester und ihrem Freund.

Ein paar Tage darauf wurde der zugelassene Impfstoff gegen Corona zum ersten Mal verabreicht bzw. gespritzt. Zuerst waren die 80-jährigen in Pflegeheimen und das Personal zum Impfen vorgesehen. Da ich zum Personal im Pflegeheim gehöre, sollte ich eine der ersten sein, die den Impfstoff erhalten. Ich bin zwar etwas hin und her gerissen, wegen des Impfstoffs, da nicht lange an der Impfung geforscht wurde, wenn ich da an Risdiplam denke, daran wurde Jahre geforscht und es ist immer noch nicht zugelassen. Natürlich muss man auch sehen, dass Corona im Gegensatz zu meiner Erkrankung die ganze Menschheit betrifft und viel mehr Forscher, Kliniken und Pharmaunternehmen unter Hochdruck daran forschen, außerdem lief auch viel parallel und es fand immer ein Austausch unter den Entwicklern statt, deswegen erzielt man schneller einen Erfolg und sie sagen auch, dass sie schon lange an „Sars“ forschen und deswegen nicht bei null begonnen haben. Natürlich sind die langfristigen Nebenwirkungen nicht abzusehen. Andererseits denke ich, sie würden die Impfung nie zulassen, wenn dadurch so viele Menschen einen dauerhaften Schaden nehmen, die Konsequenzen könnten sie nicht tragen bzw. würden sie nicht auf sich nehmen. Außerdem würden sich dadurch endlich wieder unsere Leben normalisieren, meine Eltern könnten endlich wie es allen erlaubt ist, sich mit einem anderen Haushalt treffen, ich könnte endlich wieder arbeiten und mich mit Freunden treffen.

Eine Woche vor meinem Impftermin stand in den Medien, dass eine Seniorin in Deutschland eine Stunde nach der Impfung verstorben sei, einen Tag darauf las ich, dass 23 Senioren in Norwegen nach der Impfung verstorben seien. Daraufhin gaben sie eine neue Impfempfehlung heraus, Menschen über 80 Jahre mit schweren Vorerkrankung, dazu zählen Herz-, Lungenerkrankung und Demenz, nicht mehr zu impfen, in Deutschland gibt es diese Empfehlung nicht. Ich machte mir große Sorgen, da bei SMA die Lungenfunktion auch eingeschränkt ist.

Deswegen holte ich mir Meinungen von vier Ärzten ein, von meiner Hausärztin, meinem Neurologen, meiner früheren Ärztin aus dem SPZ (die Sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland sind Einrichtungen der ambulanten Krankenversorgung, die auf Kinder und Jugendliche spezialisiert sind) und von meinem früheren Kinderarzt, der sich gut mit meiner Erkrankung auskennt. Alle Ärzte rieten mir zur Corona-Impfung, sie sagten eine Covid-Erkrankung wäre für mich viel gefährlicher und man könnte mich auch nicht mit den 80-jährigen vergleichen, ich wäre im Vergleich stabiler und meine Lunge ist an sich nicht krank, sondern ganz alleine durch die Muskelkraft geschwächt. Ich telefonierte sogar mit Roche, um mich über mögliche Wechselwirkungen zwischen Risdiplam und der Corona-Impfung zu informieren, da beide aus mRNA bestehen.

Die Dame von Roche erklärte mir, dass sie dazu natürlich noch keine Studien haben, da noch niemand geimpft wurde, es sind aber keine Nebenwirkungen zu erwarten, ich könnte mich ohne Bedenken impfen lassen. Ich habe mich Schlussendlich dafür entschieden, aber ich finde die Entscheidung sollte jeder ganz alleine für sich treffen.

Am 22.01.21 bekam ich die erste Corona-Impfung von Biontech, ich hatte neun Tage einen geschwollenen Arm, dies ist bei mir eigentlich üblich nach einer Impfung. Sonst war ich etwas müde und schlapp, aber sonst war alles gut. Am 12.02.21 bekam ich die zweite Impfung, ich hatte vier Tage einen geschwollenen Arm, die Beine waren für drei Tage schwach und ich hatte einen Tag nach der Impfung leichtes Fieber. Ich finde im Vergleich zu Corona haben sich die Nebenwirkungen gelohnt, nichts desto trotz würde ich, wenn ich eine ernsthafte Vorerkrankung habe Rücksprache mit meinem behandeln Arzt halten, um auf Nummer sicher zu gehen.

Leider muss ich an dieser Stelle die Politik wieder kritisieren, natürlich wissen wir alle, dass zu wenig bzw. zu spät die Impfstoffbestellung stattfand, darum geht es mir aber gar nicht in erster Linie, darüber wurde genug diskutiert und es ist nun mal SEHR SCHLECHT gelaufen. Mir geht es um die Impfstoffstrategie, also wer bekommt den Impfstoff zuerst. Natürlich ist es richtig, zuerst die Senioren und das gesamte medizinische/pflegerische Personal zu impfen, da sie ein hohes Risiko haben, für mich wären aber genau danach die Risikopatienten (vorerkrankte, immungeschwächte, chronisch Kranke usw.) an der Reihe, da sie ein sehr hohes Risiko haben und sich die meisten seit März 2020 in Isolation befinden. Darunter würden für mich zum Beispiel Trisomie, Herzerkrankte, Herzgeschwächte, Immungeschwächte, Krebserkrankte und muskelerkrankte Menschen fallen. Tut mir leid, für die Erkrankung, die ich nicht erwähnt habe, mir sind natürlich nicht alle bekannt, bei denen man sehr gefährdet ist, aber bei denen, die solche lebenswichtigsten Entscheidungen treffen, die sollte sich über alles bewusst sein. (Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass SMA, MS und ALS nach der Priorisierung der Regierung zu Beginn nicht zu den gefährdeten Gruppe zählte, meiner Meinung nach ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen! Nach ein paar Wochen gab es bei diesen Erkrankungen Einzelfallentscheidungen, mittlerweile gehören neuromuskulären Erkrankungen mit zur hohen Priorisierung, aber nur weil Patienten und Organisationen gegen die Einordnung vorgegangen sind).
Bei allen Erkrankungen ist man geschwächt und würde nach einer COVID-19 Infektion wohl noch geschwächter oder noch schlimmer die Erkrankung überstehen. Anschließend sollten die Personen geimpft werden, die sich um sie kümmern bzw. sie pflegen. Danach würden für mich diese Berufe Priorität haben: Polizisten, Erzieher, Lehre, Bestatter, Verkäufer und die berufliche Feuerwehr drankommen, da sie alle viel Menschenkontakt haben und das lebensrelevante Berufe sind.

Wir kommen zum Ende meiner Biografie, ich bedanke mich ganz herzlich für Ihr Interesse an meiner Biografie und damit an meiner Person!

Ich wünsche Ihnen allen alles Gute, Glück, Gesundheit, Kraft in schweren Zeiten, tretet für euch ein, kämpft für die Personen oder die Angelegenheiten die ihnen wichtig sind und ihnen zustehen und lassen Sie sich NIE unterkriegen! Und zeigen Sie Ihrer Familie immer wieder Ihre Dankbarkeit und wie wichtig sie für Sie sind. Ich werde erstmal eine Zeit nicht schreiben, falls doch, werden Sie es auf dieser Seite sehen. Ich hoffe es hat Ihnen gefallen, was Sie gelesen haben und ich konnte ihre Denkweise in einigen Hinsichten verändern.

Eure Michelle Hübner.

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