Kapitel 1
Das Schlummernde
Ganz genau, kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Aber ich weiß das mich schon als Kind Menschen im Rollstuhl unglaublich fasziniert haben und das ich einfach gar nicht wegschauen konnte und wollte! Ich glaube es ist ein Geschenk des Universums, was ich einfach mitgebracht habe, es gab dafür nicht den Auslöser oder den Grund! So könnte man es sagen, eine unglaubliche Faszination für Menschen mit Special Effekts. Ich habe dem, lange Zeit nicht so die große Beachtung geschenkt, ich lebte ja in Hintertupfingen… Der einzige Rollifahrer der erreichbar war, war schwul und mein bester Kumpel, ich genoss es sehr Zeit mit ihm zu verbringen und wir waren ein gutes Team, aber mehr war da nicht zu wollen! Internet hatte ich keins, wo hätte ich also Männer finden sollen?
Irgendwann begann ich immer den gleichen Traum zu träumen, ich heiratet im Traum einen Rollstuhlfahrer auf einem Steg… Er sah tatsächlich immer gleich aus und ich träumte den Traum so lange, bis ich mich wieder auf die Suche begab… Auf die Suche nach dem was da in mir schlummerte… Auf die Suche nach Kontakt! Ich musste also unbedingt rausfinden, ob das überhaupt wahr ist, was wäre denn gewesen, wenn ich in Wirklichkeit, also dann, wenn ich Angesicht zu Angesicht zu einem echten Rollifahrer stehe, plötzlich anders fühlen würde? Oder sich das verändern würde? Mein Abenteuer und die Suche nach meinem Mr. Right beginnt!

Kapitel 2
Mein Kumpel und ich
Ihm gebührt ein extra Kapitel hier auf diesen Seiten, er war es schließlich der mich geduldig ertrug und mich die ersten Erfahrungen mit Männern im Rollstuhl sammeln lies. Ich kann mich erinnern, dass mir wirklich sehr viel zusammen unternommen haben, ich ihn die steilsten Berge hinaufschob und das alles mit einer relativen Leichtigkeit! Für mich war er gut so wie er war, er gehörte so…
Einmal wollten wir schnell zur Bushaltestelle, um zu schauen, wann der nächste Bus fährt für seine Mutter, gesagt getan schnell los…. Der Teer hatte Schlaglöcher etwas, worüber man sich im Normalfall keine Gedanken macht! Wir waren am Quasseln, kein Mensch hat die Löcher gesehen, Ich konnte gar nicht so schnell schauen es hat vielleicht 5 Sekunden gedauert der Rollstuhl kippte und er lag vor mir auf der Straße! „Scheiße und jetzt?“ Wir sahen uns beide mit 3 Fragezeichen im Gesicht an… Aber dann kam der Retter in der Not mit einem Auto angefahren parkte auf der Straße im 45 Grad Winkel sprang aus dem Auto hob, ohne zu zögern, meinen Fahrgast wieder auf, stieg in sein Auto und fuhr davon… Er hat kein Wort gesagt nicht zu mir nicht zu ihm wir sahen uns nur schockiert an und er meinte: „Äh was war denn das jetzt?“ Egal er hat geholfen… Aber dennoch hätte er warten können, bis wir wenigstens Danke sagen hätten können…
Wir hatten eine wunderschöne Zeit konnten über alles reden, er war schwul und ich kein Mann, das war der einzige Hacken! Ich habe ihn, wenn wir unterwegs waren, sicher auf jedes WC gekarrt und er mich dafür nach Hause, es war eine geile Zeit, von der jeder von uns beiden profitierte… Schön wars, DANKE!

Kapitel 3
𝗔𝗰𝗵 𝘄𝗶𝗲 𝗴𝘂𝘁 𝗗𝗔𝗦 𝗡𝗜𝗘𝗠𝗔𝗡𝗗 𝗪𝗘𝗜𝗦𝗦!
Ich kann mich nicht genau mehr erinnern welches Jahr es war, wir reden aber von den frühen 2000er. SMSen kostete noch richtig viel Geld und mein Vater hat das Internet verteufelt, jedenfalls war das nichts, was in sein Haus kam… Man suche also nun mit einem Handy, ihr wisst schon die Telefonzellen, die man damals mit sich rumschleppte, einen Mr. Right im Rollstuhl mitten im Nirgendwo in einem kleinen Dörflein!

Herzlichen Glückwunsch!

Es gab aber immerhin den RTL SMS Chat, der erste war eine Niete, der zweite hat mich gestalkt, dass ging tatsächlich auch über mehrere Jahre und war teilweise schon richtig krank… Der dritte, war irgendwann mein erstes Date, dazu komm ich in einem eigenen Kapitel! Zwischenzeitlich hatte ich meine Ausbildung angefangen als Gesundheits- und Krankenpflegerin, bin klassisch ins dazugehörige Wohnheim gezogen, aber für Internet hatte ich immernoch kein Geld! Irgendwann mussten wir dann mal ein Referat über „Behinderung und Arbeitsmarkt“ machen, was für ein trockenes Paragraphenthema? Dann kamen ich und mein mitverdonnerter Kurskollege auf die Idee jemanden zu interviewen, der wirklich betroffen ist… Das macht die Sache dann viel lockerer und wir hatten wirklich Spaß…

Die Startrampe war entdeckt. Den Schlüssel von PC-Raum der Krankenpflegeschule konnte man sich ausleihen, ich hatte bald Leute gefunden, die mich unterstützen und für mich den Schlüssel ausliehen, dass es nicht so auffiel, bzw. dass er nicht immer von mir ausgeliehen war… Mel war halt einfach gern am PC, was ich da wirklich machte, wusste niemand! So habe ich tatsächlich die ersten wahren Geschichten von echten Menschen mit Behinderung gehört, was es bedeutete einen Querschnitt zu haben, wusste ich damals nur so in etwa, aber je mehr ich über die Dinge erfuhr je spannender fand ich es! Abgeschreckt? Hätte es wahrscheinlich jeden, mich allerdings nicht für mich wurde es immer nur noch spannender….

Kapitel 4
𝗠𝗮𝗴𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲 𝗔𝗻𝘇𝗶𝗲𝗵𝘂𝗻𝗴
Damals hatte ich absolut überhaupt keine Ahnung was überhaupt alles außer „nichtlaufen“ dazugehört, wenn man in einem Rolli sitzt, nach den ersten Abenden im Chat erfolgte die Studie in meinen Lehrbüchern. Aber je mehr ich drüber wusste, über Krankheiten, Neurologie, Querschnittslähmungen, je spannender fand ich es. Die meisten würde es eher abschrecken, für mich war es wie eine magische Anziehung und Faszination!

Über die Startrampe kam ich dann irgendwann auch zu Handicap Love. Aus dem RTL SMS CHAT hatte ich noch Kontakt mit Steffen, er hat sich sporadisch gemeldet, wollte aber eigentlich ursprünglich nie eine Beziehung, dennoch blieb er spannend für mich und ich wohl auch spannend für ihn…

Und ich lernte „Freak“ kennen, er war leider viel zu weit weg. Ein Mann den ich für seine Intelligenz und seine Schönheit bewunderte… Wir haben bis heute noch Kontakt, wir haben damals viel gechattet und telefoniert. Irgendwann hat er dann seine Partnerin kennengelernt, wahrscheinlich auch, weil ich ihm den Mut dazu machen konnte! Er ist noch immer mit ihr zusammen, was mich natürlich auch immernoch sehr freut. Der Kontakt ist weniger geworden, aber er überdauerte die 20 Jahre.

Kapitel 5
So konnte ich wachsen!
Damals war ich ein junges Mädchen, das Thema Devotee und Bewunderung von Menschen mit Behinderung war weniger im Gespräch als heute, also NOCH weniger! Wenn ich nicht sagte, dass ich die Behinderung anziehend fand, dann hat sich jeder gefragt was ein junges Ding wie ich es war, von ihm wollen würde -> das war also auch nicht der richtige Weg! Und wenn ich erzählte das ich eine Dev bin, konnten die meisten auch nicht wirklich viel damit anfangen!

Und ich war schüchtern, ich habe kaum gleichgesinnte im Netzt kennengelernt und schon gar niemand in meinem Alter! Die Frage was mich genau fasziniert hat mich in Wirklichkeit schon überfordert, ich kam mir richtig bescheuert vor zu sagen, dass es in Wirklichkeit alles ist, was ein Querschnitt mit sich bringt!

Heute glaube ich zu wissen, dass diese Offenheit von meiner Seite, wichtig wahr und auch immer noch ist, dass es nichts bringt die Wahrheit zu verbergen oder sich gar dafür zu schämen… Damals war es nicht immer so leicht.

Ich bin dankbar für jeden Chat, den ich damals hatte, für jeden Menschen, dem ich mehr von mir erzählen durfte und der mir mehr von sich und seiner Welt mit der Behinderung erzählte, nur so konnte ich wachsen. Ich war immer ehrlich hab mich nie versteckt oder irgendwas vorgespielt, oft hätte es wahrscheinlich noch mehr Worte gebraucht und mehr Erklärung darüber was mich wirklich fasziniert, heute kann ich das ganz gut denke ich!

Kapitel 6
Wenn ich da bin!
Die Ausbildung hatte ich abgeschlossen, aus meinem Schwesternwohnheim bin ich ausgezogen… Meinen eigenen PC hatte ich dann an Weihnachten gekauft und mit ihm auch den ersten eigenen Internetanschluss, ich musste nicht mehr, irgendwie tricksen, um mich austauschen zu können.

Während der Ausbildungszeit hatte ich anfangs meinen ersten Stalker an der Backe und wahrscheinlich auch der erste Fake, der angeblich von seiner Frau über den Haufen gefahren worden ist und im Rollstuhl saß… Eine sehr grusselige Geschichte, ich bin froh, dass sie vorbei ging…

Ansonsten würde ich sagen, war die Zeit der Ausbildung zwar geprägt von einer Freundschaft Plus, diente aber irgendwie dann doch dazu diese sexuelle Präferenz zu vertiefen und mich darüber auszutauschen!

Ich war mir nie unsicher, für mich war immer klar, Männer im Rollstuhl sind es die mich nicht nur sexuell betrachtet faszinieren und die mich ansprechen! Dennoch musste ich es unbedingt ausprobieren.

Mit Steffen hatte ich immer mal wieder Kontakt, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass ich das ernst mein, dass ich junges Mädchen wirklich Interesse an ihm hatte, er war aus seiner vorherigen Beziehung sehr verletzt und ich war wohl damals als „junges Ding“ auch noch etwas ungeschickt.

Er wollte sich unter keinen Umständen verlieben, so gab es einen Pakt! Ich darf kommen und ihn besuchen, aber er bricht nach den zwei Nächten den Kontakt mit mir ab… Ich dachte… Wenn ich erstmal da bin, wird das alles schon…

Also machte ich mich auf den Weg zu meinem ersten Date….

Kapitel 7
Das erste Date
Mein erster Sommerurlaub, dass Geburtstagsgeschenk an mich selbst war, damals ein Navi, ein Tag nach meinem Geburtstagsfest bin ich losgefahren, gesagt habe ich das glaube ich nur einem Freund von mir, der auch mit mir im Haus wohnte und meine Katzen versorgen durfte, damals war ich noch viel zu sehr in Sorge darüber, was die Leute wohl über mich denken könnten, wenn ich einen behinderten Menschen treffe…

Es war ein wahnsinnig heißer Sommertag auf dem Weg Richtung Stuttgart und ich stand für immer im Stau… Ich war aufgeregt, wie man aufgeregter nicht sein konnte und wie ich es in meinem Leben wohl auch nie mehr danach war. Steffen kannte ich schon einige Jahre am Anfang über SMS, dann über Briefe mit der Post und am Ende natürlich auch über den Chat… Tatsächlich habe ich noch einen Brief hier von ihm… Ihr erinnert euch an den Pakt, ich darf ihn einmal treffen werde danach aber nie wieder was von ihm hören!

Irgendwann kam ich an, halb verdurstet und total aufgeregt, der erste spannende Moment war allerdings nicht so romantisch wie ich mir das vorgestellt hatte… Sein Kumpel war auch da, wahrscheinlich damit er den ersten Moment leichter hatte, ich fands ziemlich doof… Als der dann irgendwann weg war, begann unser Date…

Die Frage, ob es mich wirklich so fasziniert ein Mann im Rollstuhl, war auch mit dem ersten Mal ihn in Wirklichkeit zu sehen erledigt, es war ganz eindeutig, die Anziehung war so magisch und episch, wie ich sie zuvor noch nie erlebt hatte…

Er hatte mir nicht zu viel versprochen, er war zwar nett, aber in jedem Moment drauf bedacht, sich auf keinen Fall zu verlieben aus Angst vor dem dann entstehenden Schmerz… Ich hätte alles zu ihm sagen können, er hätte es nicht gehört… Dennoch hatten wir eine ganz nette Zeit zusammen….

Kapitel 8
DANKE das ich Dich ausprobieren durfte!
Es war die Magie des Augenblicks, die Schüchternheit, die Angst davor irgendetwas falsches zu machen oder zu sagen… Aber auch die Einfachheit der Dinge und die unendliche Faszination die dieses „erste Date“ so einzigartig und unvergessen machten!

Ihm zuzuschauen, wie er sich bewegte im Rollstuhl, wie er sich umsetzte, einfach alles daran war für mich besonders… Aber nicht im Sinne von besonders außergewöhnlich, sondern im Sinne von besonders schön…

Ich war viel zu schüchtern, ich konnte ihm gar niemals nicht sagen wie besonders dieser erste Moment und dieses erste Mal für mich war… Heute weiß ich, dass es uns beiden sehr viel geholfen hätte, wenn ich da wirklich drüber sprechen hätte können…

Wir kamen uns näher und wir haben zusammen „gezeltet“ das war sein Wort dafür, allerdings erst nachdem er eingeschlafen ist und ich ihn wieder aufgeweckt hatte…

Ich war 2 Nächte da und es gab in er ganzen Zeit nur 1 Dose Ravioli, er meinte zwar ich solle mich bedienen aber naja man isst ja nicht allein in einem fremden Haus… Das war das verrückteste an der ganzen Geschichte… Er war sehr individuell und speziell, ich denke in ganz vielen Bereichen… Eigen und von der Welt verletzt und enttäuscht, so könnte man es möglicherweise nennen?

Egal, man muss die Dinge mitnehmen wie sie kommen und es war etwas ganz Besonderes und Unvergessenes! Dieses erste Date… Ja in Wirklichkeit war es wunderschön!

Falls du es irgendwann mal liest, hier nochmals von ganzen Herzen DANKE, dass ich dich ausprobieren durfte!

Kaptiel 9
Kein Prinz auf dem weißen Ross!
Obwohl dieser Abschied an der Haustür so herzlich und so emotional war und er so viel wert drauf legte das ich ihm auf jeden Fall schreiben soll, wenn ich angekommen bin. Endete dieser Kontakt mit der letzten SMS wie von ihm angekündigt mit der letzten SMS von mir an ihn.
Für mich war dieses Erste Mal etwas besonders, nicht nur, dass ich wusste, dass es mich wirklich anturnt mit einem Rollifahrer Zeit zu verbringen, sondern auch wegen ihm… Ich habe seine Entscheidung akzeptiert, aber bis heute denke ich noch an dieses besondere erste Mal zurück… Mit der Zeit verblassen Abenteuer ein wenig, aber wenn man die Augen schließt, ist es so als könnte man bestimmte Momente immer wieder erleben, man trägt sie mit in seinem Herzen, ein Leben lang…

Ich wusste nun also das ich tatsächlich ein Devotee bin und das ich weiter suchen musste… Es begann eine Mission, die viele Jahre lang dauern sollte, die Mission auf der Suche nach meinem Mr. Right!

Doch wie sollte er sein? Was war daran so schwierig… Ganz ehrlich? Ich verstand es selbst nicht so wirklich… Ich wollte jemanden der im Rolli sitzt und sonst noch charakterlich einigermaßen zu mir passte… Kein Prinz auf dem weißen Ross oder sonst was…

Ganz oft hörte die Geschichte damit auf, wenn ich offenbarte, dass ich Männer im Rollstuhl sehr anziehend finde, damals wussten noch viel weniger Menschen, dass es uns gibt, die die sich durchaus eine Beziehung und ein Leben mit einem Rollifahrer vorstellen können, eben auch genau deswegen…

Ich glaub ich habe überall gesucht, Online, Offline, in der Tageszeitung, auf Onlineplattformen für Behinderte Singles, auf normalen Singlebörsen… In Foren für Menschen mit Behinderung… Einfach fast überall…

Ich weiß gar nicht mit wie vielen Menschen ich gechattet habe in diesen Jahren, von einigen die die mir geblieben sind werde ich euch in den nächsten Kapiteln erzählen…

Kapitel 10
Ich bin nicht so vom Himmel gefallen!
Die junge Mel von damals, war natürlich etwas anders, als die von heute… Mittlerweile bin ich an Erfahrung, Lebensfreude, Empathie und Verständnis gewachsen….

Ich bin so aber nicht vom Himmel gefallen… Ich war schüchtern, wusste immer nicht so richtig wie ich meine Vorliebe verpacken sollte, wenn ich einem Rollifahrer gegenüber von meiner Vorliebe erzählte, noch schwieriger war es, wenn er gar nicht wusste das sie existieren, die Devotees…

Natürlich habe ich mich auch manchmal selbst für diese Vorliebe geschämt, denn schließlich findet man etwas schön, was für den anderen vielleicht gar nicht so schön ist… Ich habe mich oftmals gar nicht wirklich getraut auszusprechen, was es genau ist was ich schön finde… Obwohl das mit die wichtigste Frage war, damals wie heute… Heute weiß ich, dass an dieser Stelle absolute Ehrlichkeit erforderlich gewesen wäre… Es hat viele Gespräche lang gedauert, bis ich das begriff…

Vielleicht war es aber manchmal auch so, dass ich selbst gar nicht wusste, was das im Detail ist… Und vieles fand ich auch erst schön; nachdem ich es erlebte/spürte/sah…

Manchmal wars dann doch so, dass etwas geendet ist, bevor es angefangen hat, weil mein Gegenüber das so gar nicht glauben konnte…

Damals habe ich mich auch nicht getraut für mich besonders attraktive Kerle anzuschreiben…. Was soll ich sagen? Sie sind immer noch online in der Singlebörse… Es war also dumm… Wenn ich heute jemanden schön finde… Kann ich das einfach so raushauen… Allerdings ist es glaub ich auch etwas anderes, über die Dinge zu reden ohne Druck!

Damals wollte ich ja die Liebe meines Lebens finden und auf gar keinen Fall etwas falsches sagen…

Kapitel 11
Der Komische Vogel
Ich wollte es wissen und ich wollte endlich den Partner finden, mit dem ich zusammen alt werden konnte. Yes, ich habe wirklich gedacht, es wäre so einfach und wollte meinen Mr. Right im Rollstuhl finden! Dass es nicht einfach war, weiß ich heute…

Ich war also in allen Portalen unterwegs und habe nach meinem Rollifahrer gesucht…
Nach einem ausführlichen Chat und einer Session per Web Cam habe ich auch den ein oder anderen getroffen… Dieser hier ist mir besonders in Erinnerung geblieben…

Nach einem Chat über die Partnerbörse einige Abende telefonieren, war es also so weit, dass erste Date fand statt… Ich bin in die nächstgrößere Stadt gefahren, da dort der Bahnhof barrierefrei war…

Der Zug kam an, ein Typ stieg aus und ich traute meinen Augen nicht wirklich… Was war das denn? ALLES aber nicht mein Mr. Right im Rollstuhl sondern irgendein komischer Vogel… Ein Rollstuhl, den man in Krankenhäuser findet, er war nicht angepasst oder so, ein fürchterliches Ding, dreckig und verstaubt noch dazu und der Kerl? Naja, was soll ich sagen? Die Haare waren irgendwie viel zu lang, er kam mit Birkenstock und Jogginghose, hatte kaum Gepäck mit dabei und vor allem noch nie in seinem Leben eine Zahnbürste gesehen… Inkontinenzmaterial aus irgendwelche Werbepäckchen, nichts hat zusammengepasst und einen Querschnitt ohne Katheter?

Das Weltallerschlimmste war aber neben der Tatsache das ich auf einen Pretender oder BIDler reingefallen bin, dass sein Geruch überhaupt nicht kompatibel war und auch sein Zahnstatus nicht meinen Mundhygienekriterien entsprach. Es war einfach super ecklehaft und treist!

Am nächsten Tag habe ich ihn wieder zurückgefahren an den Bahnhof!

Nun war ich skeptisch, manchmal sogar zu skeptisch, aber das war eines meiner grusseligsten Erlebnisse überhaupt… Was eine Marke… Unvorstellbar, ich verstehe es bis heute nicht? Natürlich habe ich nicht wieder mit ihm gesprochen, ich sollte ihn aber noch oft treffen auf irgendwelchen Foren oder Börsen!

Ich war immer ehrlich, hab nie irgendwas herbei gelogen und ich erwarte das auch von meinem Gegenüber.

Kapitel 12
Das Leben ist wohl so…
Irgendwann des nachts huschte mir ein Österreicher über den Weg… Nennen wir ihn Josefus! Er hatte einen hohen Querschnitt und ich traf ihn das erste Mal so kurz nach seiner allerersten Reha irgendwo in dieser Onlinewelt unseren Hauptkontakt hatten wir über Skype…

Es müssen viele Nächte gewesen sein, die wir zu zweit durchgequasselt haben, Irgendwie fühlte ich mich zu ihm hingezogen und mit ihm verbunden auf eine ganz tiefe Ebene… Just in dem Moment als ich drüber nachdachte, zu ihm zu fahren, verschwand er wieder von der Bildfläche für einige Jahre…

Es hat mir so sehr weh getan, dass ich fast schon um ihn getrauert habe… Und irgendwann war er einfach wieder da, wie aus dem nichts ist er nochmal wieder gekommen, es war wieder intensiv, wir haben wieder nächtelang miteinander geschrieben telefoniert uns füreinander begeistert und dann war er wieder auf einmal weg…

Es war eine wundervolle Begegnung, die mir viel über das Querschnitt haben erzählte und erklärte, die mir zeigte, wie es ist sich über die Entfernung so sehr zu verlieben, dass es weh tat, wenn es nicht mehr da war…

Das Leben ist wohl so, es gibt Begegnungen, die dauern für immer und ein andermal begleitet man sich nur eine kurze Zeit! Manche bleiben hängen ganz tief im Herz und es ist schön, wenn man sich an diese besonderen Menschen zurückerinnern kann, weil man irgendwas ganz Besonderes mit ihnen geteilt hat!

Es war schön mit dir, danke!

Kapitel 13
Verflucht!
Aber auf der Suche nach was eigentlich? Auf der Suche nach dem Großen Glück, der Liebe meines Lebens war ich… Es gab auch Tage, wo ich mich nicht so wohl damit fühlte, die Behinderung eines Menschen attraktiv zu finden, wenn ich ehrlich bin, habe ich mich in meinen Anfängen oft genug dafür verflucht und wollte das weg haben… Je mehr man versucht, es loszuwerden, je ärger will man es doch haben! Neben all dem positiven, was ich darin sah, brachte es auch genauso viele Negative Gedanken mit sich… Heute weiß ich, dass gar nicht weg gehen kann, diese unheimliche Faszination für Rollifahrer, dass es die rote Schnur ist, die sich durch mein Leben zieht!

Ich lernte Bolleck kennen, ein sympathischer junger Mann, ein Dr. der Physik mit dem ich mich ausgezeichnet verstand. Es war auf einmal so einfach, wir waren vielleicht eher Freunde als ein Liebespaar, aber wir verstanden uns und es machte einfach Spaß in seiner Gesellschaft zu sein. War ich verliebt? Ja aber anders, nicht mit dieser körperlichen Anziehung. Irgendwann kam raus das er selbst auch sich mit dem Thema Devotee/Amelo für sich befasst, aber das war erst gegen Ende unserer Beziehung! In diesem Jahr ist so viel passiert, der Tod eines sehr nahestehenden Menschen, die Leukämie Diagnose in der Familie und die Weiterbildung im Job, ich kam gar nicht so schnell mit dem Denken und Verarbeiten nach und habe mich sicher sehr verändert in der Zeit. Nach fast einem Jahr Beziehung beendete er alles mit den Worten: „Weißt du was? Ich geh jetzt einfach!“

Ich stand nur noch da und schrie, endlich konnte ich schreien und diese ganzen Emotionen mit mir rauslassen. Irgendwie war ich da zusammengewürfelt, meine Welt irgendwie kaputt, nicht mehr die die sie davor war… Ich musste mich neusortieren und ausrichten…

Und irgendwann kam sie wieder raus die Devotine in mir, ich musste ihn finden diesen Mr. Right im Rolli!

Kapitel 14
𝗕𝗲𝗯𝗲 |𝗧𝗲𝗶𝗹 𝟭
Da warst du… Ich denke wir haben uns bei Handicap Love kennengelernt, wir haben sehr viel miteinander geschrieben, ich erinnere mich daran, wie oft wir beide geskyped haben in unserer Zeit! Du warst vom ersten Augenblick an spannend für mich, total, sie war da, diese unglaubliche Anziehung! Vielleicht war es zuerst so, dass ich glaubte deine Behinderung würde mich nicht so sehr interessieren, aber ich bin dankbar dafür, dass du mich selbst so sehr interessiert hast, dass mir die Behinderung egal war und ich dich und alles, was zu dir gehörte kennenlernen durfte!

Du hattest Angst, angst meine Erwartungen nicht zu erfüllen, angst schlechter zu sein und weniger zu können als ich es von dir wollen könnte! Für mich war das niemals wichtig, es ging mir niemals darum was du kannst und was du nicht konntest…. Es ging um das große Ganze es ging um dich, du warst es der mich beeindruckte, deine Stimme, deine Art und Weise einfach du…
Ich musste dich treffen, ich musste dich kennenlernen es folgten zwei Dienstwochenenden aufeinander, das Warten schien wie ewig und endlich war er da dieser Freitag, an dem ich mich auf den Weg zu dir machte! Ich fuhr also los in der Erwartung einen attraktiven schönen Mann zu treffen, den ich schon oft vor der Webcam hatte und der noch so fit war, dass er einige Schritte am Rollator gehen konnte! Mit deiner Stimme im Ohr war ich auf dem Weg zu dir, stand über 2h im blöden Stau und war heilfroh, völlig kaputt nach meinem Frühdienst bei dir angekommen zu sein!

Du warst aufgeregt und ich war es auch! Du standest hinter deiner Balkontür und hast mir zugeschaut wie ich mein Krempel aus dem Auto geladen habe und mich auf den Weg zu dir begab… Ich war gepackt mit vielen Anspannungen auch mit der Sorge wie ich dann mit allem dem, was zu dir gehörte zu recht kam… Deiner Spastik, deiner Müdigkeit und wie ich bald merkte mit allem dem, was du mir nicht erzähltest, weil du dachtest es wäre zu schlimm für mich…

Kapitel 15
𝗕𝗲𝗯𝗲 |𝗧𝗲𝗶𝗹 2
Ich ging rein und plötzlich standen wir voreinander, deine Aufregung hat mich Beinahe angesprungen, ich konnte sie förmlich spüren… Ich warf meine Sachen ab, stellte das Gepäck hin und nahm dich in Arm… Sie war unglaublich angenehm diese erste Umarmung.

Dann wolltest du mich unbedingt stehend in den Arm nehmen… Es war ein magischer Moment, mir wäre das nicht wichtig gewesen, für dich war es aber als ob es entscheidend gewesen wäre… In dem Moment wurde mir klar, dass du nicht mehr am Rollator laufen wirst, dass alles das, was du sagtest so nicht genau stimmte und das du mehr Hilfe brauchst als du es jemals hättest zugeben können!

Was diese Verdrängung für dich bedeutete, konnte ich erst viele Jahre später verstehen…

Der Magie des Momentes nahm es nichts, irgendwann hast du zugelassen das ich dir helfe beim Aufstehen und Stehen… Es war eine ganz schön wackelige Sache und brauchte kraft… Aber ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern wo wir uns das erste Mal stehend in Arm genommen haben, es war schön und die Spastik und dein Wackeln störte nicht wirklich auch wen wir beide damit zu tun hatten gegenzusteuern…

Alles war sehr vertraut deine Wohnung, du, als ob wir uns ewig kennen würden… Eigentlich wars schon ganz so wie ich mir das vorstellte… Wir haben noch irgendwas zusammen gegessen und sind dann auch bald schon zusammen ins Bett… Eigentlich wollte einer auf der Couch schlafen, aber irgendwie konnten wir beide darauf verzichten… Dafür warst du viel zu spannend!

Wahrscheinlich wären wir beide besser beraten gewesen, wenn wir abgrundtief ehrlich gewesen wären… Du wusstest zwar das ich auf Menschen mit Behinderung stehe, aber was das genau heißt, konnte ich dir nicht vermitteln, also hast du alles gegeben, um „gut“ dazustehen!
Du konntest mir nie erzählen, wie es dir wirklich geht und was du wirklich bräuchtest…

Kapitel 16
𝗕𝗲𝗯𝗲 |𝗧𝗲𝗶𝗹 3
Ich lese in meinem Buch der Erinnerung und kann mich noch genau daran erinnern wie es in deinem Schlafgemach aussah! Rechts war ein großer Schrank, der die ganze Wand füllte, auch meine Sachen fanden dort ihren Platz, das Fenster war versteckt hinter einem großen schweren Vorhang, der irgendwie an großmütterliche Zeiten erinnerte und dein großes Holzbett stand direkt an der Wand! Spinnweben zierten die Ecken der Decke und ich hatte sie schon lange davor weggemacht, du hattest sie einfach nicht gesehen, was mir erst viel später bewusst wurde… Seis drum, ich krabbelte rein an der Wand du lagst daneben, ein langer Tag war zu Ende und ich schlief meinen Dornröschen schlaf…

Schlafen kann ich überall, immer, seid ich die Schwesternwohnheime dieser Welt bewohnt habe, wars mir auch völlig egal ob da irgendwelche anderen Geräusche oder andere Betten waren, ich schlief tief und fest, bis zu dem Moment wo ich durch dich geweckt wurde! Im Zimmer war es dunkel, ich konnte dich nicht sehen, zuerst hatte ich keinen blassen Schimmer was überhaupt passierte, ich merkte nur das, dass Bett wackelte und hörte ein: „Scheiße, oh man, nein bitte nicht!“

Ich hatte immer noch keine Idee, aber ich habe mich auf die Suche nach dem Lichtschalter gemacht, den ich dann irgendwann glücklicherweise auch gefunden habe… Und dann sah ich auch das du irgendwie aufstehen wolltest, ich habe niemals zuvor jemand mit so einer krassen Spastik gesehen und wusste auch gar nicht so wirklich was ich tun sollte, reden konntest du auch nicht… Irgendwann hab ich geschnallt das du wohl zur Toilette musst, ich stand auf und half dir an die Bettkannte, leider wars zu spät, ich hätte schneller wissen müssen was da los ist, meine Füße badeten in einer Pfütze! Wenigstens hörte die Spastik auf, du warst sauer, stink sauer auf deinen Körper ich konnte mit dieser Wut, schwer umgehen, ich war sauer, weil ich nass wurde durch dich!

Also ging ich ab in die Dusche, wir haben alles frisch bezogen, was man beziehen musste, umgezogen was man umziehen musste und irgendwann als wir uns beide einigermaßen beruhigt hatten, lagen wir wieder im Bett… Allerdings nicht ohne die unbenutzte Urinflasche, die uns sehr viel nass hätte sparen können, wenn wir da gleich mal drüber gesprochen hätten… Sie war von da an immer griffbereit in meiner Nähe und nie wieder wurde einer von uns beiden nass! Ich wusste aber auch was das Problem war, wenn das Bett durch deine Spastik wackelte!

Es war ein sehr schockierendes Erlebnis, was uns beide in gleichem Maße herausforderte, am Ende aber sehr viel nähe mit sich brachte!

Kapitel 17
𝗕𝗲𝗯𝗲 |𝗧𝗲𝗶𝗹 4
Einkaufen
Wir gingen oft gemeinsam einkaufen, für dich war das glaub ich einer der Höhepunkte überhaupt, weil du so gut wie niemals raus kamst aus deiner Bude, ich weiß noch wie kompliziert das war… Es gab keinen barrierefreien Zugang zu deiner Bude, der wurde gerade erst gemacht, du hattest ein E-Mobil mit dem bist du über die Terrasse vor an den Straßenrand gefahren, dort konnte ich dich dann wieder mit dem Rolli abholen. Was eine Prozedur… Für mich war einkaufen, so ziemlich das langweiligste was es überhaupt gab, du hast es geliebt zu schauen was es Neues gibt… Einmal wurde du während wir Katzenfutter gekauft haben, so wütend, weil irgendwas mit der Bezahlung an der Kasse nicht so lief, wie es sollte, dass du abgehauen bist… Naja du kamst nicht weit, die Leute haben dich aufgehalten… Wieviel Wut und Ärger du in dir gehabt haben musst und wie schlimm es wohl war nicht weit zu kommen?

Ein langer Tag
Ein langer Tag ging zu Ende, wir haben viel in deiner Wohnung gemacht, geputzt Vorhänge gewaschen, Dinge die du allein nicht mehr konntest, Dinge für die du sonst niemanden um Hilfe bitten wolltest… Gerade völlig fertig auf der Couch angekommen, fiel die Fernbedienung auf den Boden und du bist vom Sofa runter auf den Boden um sie aufzuheben… Ich war durch und verstand nicht, warum du das gemacht hast, ich wusste das du da nicht alleine wieder hoch kommst, was ich dir auch sagte… Es sollte noch weitere 4 Stunden gehen, 4 Stunden in denen du verzweifelt versucht hast wieder aufzustehen, bzw. auf Sofa oder den Rolli zu kommen. 4 Stunden voller Emotionen, 4 Stunden voller Trauer, 4 Stunden voller Schmerz, voller Wut. Der ganze Boden war verblutet, dein Deku der gerade wieder zu war, ging wieder auf… Du warst sauer auf, auf die MS und auf alles Mögliche, wolltest dir nicht helfen lassen und doch musstest du es irgendwann…

Ich glaube das war einer der schlimmsten Momente meines Lebens, dir zuzuschauen, gleichzeitig hab ich daraus soviel mitgenommen und soviel über dich selbst verstanden wie niemals zuvor… Ich kann mich noch daran erinnern, wie sehr ineinander verkuschelt wir eingeschlafen sind…

Kapitel 18
𝗕𝗲𝗯𝗲 |𝗧𝗲𝗶𝗹 5
HILFE
Nach einiger Zeit wusste ich ohne hin schon, dass du Hilfe gebraucht hättest, in vielen Dingen, ein Raumpflegewunder, jemand der mit dir Einkaufen geht, jemand der einfach da ist und dich unterstützt, wenn der Tag mal wieder anstrengender war als du es zugeben wolltest…
Hilfe wolltest du nicht mehr, von keinem, du hattest mich und ich war gut darin dich zu unterstützen nur 130km weit weg! Irgendwann hast du sogar deiner Mutter erzählt das sie nicht mehr für dich einkaufen müsse, weil ich das jetzt mache…
Für mich war das ein unheimlicher Druck, der Druck verantwortlich zu sein, auch der Druck öfters bei dir zu sein… Ich habe dir das oft gesagt, du wolltest das nicht hören, ein wahrer Meister des Verdrängens…

Irgendwann hast du beschlossen, dass alles kein Problem ist, dein Kumpel hat dich zu mir gebracht, aber Moment mal, ich habe in einem Altbau gewohnt im 2. Stock, da waren Treppen und da war noch weniger barrierefrei als bei dir… Ich bin stolz darauf, dass wir das zusammen immer problemlos gemeistert haben… Zusammen, die Treppe hoch stufe für stufe, danach der Rolli und irgendwie wieder vom Boden hoch, du warst noch mehr auf mich angewiesen als bei dir zu Hause und da war immer dieses Gefühl in meinem Bauch, wenn ich arbeiten musste.

Ich habe mich geschämt, weil ich das nicht geschafft habe, ich habe es versucht bis mein Körper mir gezeigt hat, dass jetzt die Grenze dessen was ich kann erreicht ist… Als ich beim Notdienst gelandet bin mit einem Ruhepuls von über 140, wurde mir klar, dass ich das so nicht mehr weiter machen kann…

Für dich war fremde Hilfe immer noch keine Option, ich konnte das aber nicht mehr und es war wohl eine der schwersten Entscheidungen, aber ich hatte Angst, Angst daran zu zerbrechen und hab mich getrennt. Bald darauf hast du eine neue Frau kennengelernt, es ging keine 2 Wochen hattest du einen Pflegedienst den du dann wohl akzeptieren musstest!

Danke, für all das schöne was hier nicht steht, da war so viel liebe und jetzt schaust du mir von oben zu… Adieu, dass war immer dein Wort um Abschied zu nehmen…

Kapitel 19
Für immer!
Nachdem Boden der Tatsachen, der Beziehung, in der ich erfahren sollte, was es bedeuten kann mit einem Mann mit Behinderung zusammen zu sein, zweifelte ich stark an mir, war ich vielleicht doch nicht dafür gemacht? Lag es an mir das er keine andere Hilfe annehmen konnte? Ich fühlte mich schuldig und wie ein Versager! Heute würde ich vielleicht mehr drüber reden, um eine andere Lösung zu finden!

Was war das überhaupt, warum empfand ich so? Warum konnte ich nicht einfach irgendeinen Mann nehmen, einen Fußgänger, schließlich war es ja nicht so, dass da niemand war den ich finden konnte…

Ich hab versucht das Devotee sein loszuwerden und hab mich nicht mehr auf Rollifahrer konzentriert, schließlich musste ich ja doch mal ausprobieren, ob ich nicht auch mit einem Fußgänger zusammen sein kann…

Ich war dann tatsächlich über 2 Jahre mit einem schwarzen Mann zusammen, dass ist sowas wie meine zweite Vorliebe. Lebensfreude und Leichtigkeit bestimmten die Zeit, wenn wir sie gemeinsam verbringen konnten…

Eine sehr tolle Zeit und mega coole Erfahrung, die ich nicht missen wollte, er hat mir mehr gezeigt als jeder andere auf dieser Welt, dennoch waren die Herausforderungen zwar anders, aber am Ende dann doch so groß, dass wir uns Entschieden haben uns zu trennen.

Und soll ich euch was verraten? Das Devotee sein ging nicht weg, es begleitete mich immer und für immer! Egal wie romantisch und schön es war, die Beziehung zu mir und A. war eine sehr besondere, auch wenn sie keinesfalls normal war und wir sehr füreinander kämpfen mussten.

Kapitel 20
Du bist der beste Film!
Die Sonne schien, A. und ich saßen im Ikea Restaurant, er saß mir gegenüber, ich tat was ich immer tat, ich beobachtete die Leute, schließlich gibt es ja nichts besseres, als „People Watching“!

[Story am Rande: Ein ehemaliger Dozent in der Pflegeschule sagte irgendwann mal, ich kanns einfach nicht lassen Menschen zu beobachten, ich liebe es irgendwie und tatsächlich bin ich gut drin, ihr werdet es irgendwann auch mal sein und genau wissen, wo ihnen was weh tut oder was sie eigentlich haben, keiner wird mit einer Prothese an euch durchlaufen ohne das ihr es bemerkt, es einfach wisst! Naja was soll ich sagen er hatte recht, ich sehe soviel ohne wirklich einen Fokus drauf zu haben… ]

Er machte das irgendwie nicht, er war konzentriert auf sein Essen und auf mich irgendwann fragte er: „Sag mal was machst du da? Warum schaust du so rum!“ Ich antwortete völlig selbstverständlich: „Ich beobachte die Leute.“ Auf einmal begann er mich auszulachen, er hat sich fast nicht mehr eingekriegt sah mich an und meinte: „Dein Ernst? Du weißt aber schon, dass du denen gerade den besten Film machst, du bist doch die, die hier mit dem schwarzen unterwegs ist, siehst du nicht wie alle uns anglotzen!“

Ich schluckte schaute auf und tatsächlich, er hatte recht, fast alle Menschen beobachteten uns… Auch danach ist mir das immer wieder aufgefallen! Keiner hat uns übersehen, irgendwie scheinen wir einfach viel zu ungewöhnlich gewesen zu sein… Aber was hat das ganze jetzt bezogen auf den Devotee Kontext zu tun…

Nun tatsächlich hab ich dieses „glotzen“ nur mit ihm so empfunden, bei Rollifahrern war das nur halb so wild, was mir auch aufgefallen ist, mit einem Mann im Rolli an der Seite wird man überdurchschnittlich oft angesprochen, warum das so ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich denken die Leute man ist automatisch nett!

Bei ganz dummen blicken empfehle ich übrigens knutschen, dass lässt die Leute fast umfallen, denn während sie noch an eine Freundschaft dachten, während man so zusammen nebeneinander her lief, sind ihre wildesten Vermutungen durch den Kuss besiegelt ihr werdet wahrlich in epische Gesichter schauen! Ich habe es wann immer möglich einfach gefeiert, man hätte die Leute eh nicht vom gucken abgehalten, warum nicht dann ein Späßchen draus machen?

Kapitel 21
ER!|Teil I
Manchmal, versteht man nicht, warum das Leben diese Wege geht, da war ich wieder „Single“! Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt, wenn man glaubt angekommen zu sein und dann doch wieder alles anders ist, muss man sich wieder neu ausrichten….

Ich war wieder auf Partnersuche, breitflächig überall… Auch in den einschlägigen Foren die es damals so gab, um den Rollifahrer von Welt kennenzulernen. Das bedeutete immer viele Gespräche, viele Erklärungen, sehr viel Zeit und sehr viel Missverständnisse, Vorurteile und Ablehnung! Ich war also auf der Suche nach meinem Mr. Right!

Auf einmal war er da:
Auf der Startrampe, einem Forum für Querschnittsgelähmte, da konnte man so ziemlich viele coole Bekanntschaften machen! Und da war er, er war oft online, relativ präsent im Chatroom und sein Profil…💘 Ich habe diese Zeilen so sehr geschätzt, ich hätte mich schon in seine Worte verlieben können. Es gab auch sehr viele Bilder von ihm,

Aber da war es wieder… Das Problem, dass ich Leute, von denen ich dachte, sie wollen eh nichts mit mir zu tun haben, weil sie sicher viele andere Möglichkeiten hätten, nicht angeschrieben habe… Wahrscheinlich aus Angst vor Ablehnung ich weiß es nicht genau! Heute würde ich jedem empfehlen, einfach zu schreiben, man hat ja nichts zu verlieren!

Irgendwann kamen wir dann in dem Chatroom ins Gespräch genau kann ich mich daran nicht mehr erinnern, er auch nicht, jedenfalls begann über dieses Forum und den Chat, dass nächste Abenteuer!

Kapitel 22
Mimi | Teil II
Dieses einmalige erste Treffen

Im Chatroom kennengelernt gab es irgendwann das erste Telefonat, dass erste telefonieren mit der Webcam, ich habe keine Idee davon, wie lange wir uns dafür Zeit genommen haben…

Mein Leben war wild, ich hatte gerade eine neue Stelle begonnen, eine OP hinter mir mit unklarem Befund an der Leber. Du warst mir sympathisch vom ersten Augenblick an, mittlerweile ist es definitiv so, dass ich kaum mit einem Menschen mehr telefoniert und so sehr intensiv telefoniert habe als mit dir.

Was ich nie vergessen werde, ist unser allererstes Mal live treffen, ich kann die Augen schließen und es nochmals erleben…

Es war ein sonniger Tag, irgendwann im Frühling des Jahres 2013, ich war aufgeregt wie niemals zuvor, war schon lange nicht mehr Zug gefahren, hoffte die richtigen Gleise und die richtigen Uhrzeiten und überhaupt alles hin zu bekommen… Und ich hoffte natürlich auch, dass dieses erste Mal in Wirklichkeit gut gehen würde, denn ich hatte ne Übernachtung bei dir gebucht…
Bei ersten Malen weiß man ja immer nicht so genau ob das gut oder schlecht ist, es ist halt dann auf jeden Fall so das man durch muss, wenn man nicht am gleichen Tag noch nach Hause fahren kann…

Irgendwie hatte ich auf der Stirn stehen, sprich mich an, du kannst mir alle Probleme erzählen, so war mir keine Minute langweilig im Zug, ich hatte die ganze Zeit irgendein Gespräch…

Als der Zug am Bahnhof einrollte, war ich so aufgeregt, dieses Gefühl als würde das Herz gleich aus einem raus springen wollen, da warst du… Du standst schon da und ich war schon beruhigter als ich gesehen habe, dass du wirklich da bist!

Gefühlt war jeder schneller als ich aus dem Zug draußen, Millionen Menschen, keine Ahnung wo sie alle herkamen, die alle irgendwie um dich rumliefen, ein Gewusel was es fast unmöglich machte, zu dir zu kommen, ich sah dich schon eine ganze Weile, bevor es mir gelang zu dir durchzudringen…

Da war er da, dieser allererste echte Moment und diese Umarmung, irgendwie war sie eine der besonderen Umarmungen überhaupt, es steckte so sehr viel Gefühl darin… Ich glaub man konnte das Knistern schon fast hören zwischen uns….

Fortsetzung folgt…

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